Die Bekenntnisschriften - page 369

Der Große Katechismus
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Deshalb sollen wir lernen, um solche Untugend zu meiden, daß niemand dazu einge-
setzt ist, seinen Nächsten öffentlich zu verurteilen und zu strafen, auch wenn er ihn
gerade sündigen sieht, es sei denn, er hat das Amt zu richten und zu strafen. Denn es
ist ein großer Unterschied zwischen den zweien: über Sünde richten und um Sünde
wissen. Wissen kannst du sie wohl, aber richten sollst du sie nicht. Sehen und hören
kann ich schon, daß mein Nächster sündigt, aber ihn bei anderen ins Gerede zu brin-
gen, habe ich keinen Auftrag. Wenn ich nun eingreife, richte und urteile, so falle ich
in eine Sünde, die größer ist als jene. Weißt du das aber, so handele auch danach.
Dann mach aus den Ohren ein Grab und scharre es zu, bis es dir aufgetragen wird,
Richter zu sein und von Amts wegen zu strafen.
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Die werden Verleumder genannt, die es nicht bei dem Wissen bleiben lassen, sondern
weitergehen und dem Urteil vorgreifen. Wenn sie ein wenig von einem anderen wis-
sen, tragen sie es in alle Winkel, sind lüstern und finden eine Freude daran, wenn sie
den Schmutz eines anderen aufwühlen können wie die Säue, die sich im Kot wälzen
und mit dem Rüssel darin wühlen. Das ist nichts anderes, als Gott in seinem Gericht
und seinem Amt zu stören und mit dem schärfsten Urteil zu verurteilen und zu stra-
fen. Denn kein Richter kann höher strafen oder weitergehen, als zu sagen: Dieser ist
ein Dieb, Mörder, Verräter usw. Deshalb greift der, der sich untersteht, vom Näch-
sten so zu reden, genauso weit wie Kaiser und Obrigkeit. Denn wenn du auch das
Schwert nicht führst, so gebrauchst du doch deine giftige Zunge dem Nächsten zu
Schand und Schaden.
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Darum will es Gott verhindern, daß jemand dem anderen übel nachrede, auch wenn er
schuldig ist und dieser es wohl weiß, viel weniger, wenn er es nicht weiß und es allein
vom Hörensagen übernommen hat. Sagst du aber: „Soll ich es denn nicht sagen, wenn
es die Wahrheit ist?“ Antwort: „Warum bringst du es nicht vor öffentliche Richter?“
„Ja, ich kann es nicht öffentlich bezeugen, weil man mir sonst über das Maul fahren
und mich übel abweisen könnte.“ Ei, Lieber, riechst du den Braten? Traust du dich
nicht, vor dazu verordneten Personen damit zu stehen und es zu verantworten, so
halte auch das Maul. Weißt du es aber, so wisse es für dich, nicht für einen anderen.
Denn wenn du es weitersagst, auch wenn es wahr ist, so stehst du doch wie ein Lüg-
ner da, weil du es nicht wahr machen kannst, und benimmst dich dazu wie ein Böse-
wicht. Denn man soll niemandem seine Ehre und seinen Ruf nehmen, außer sie sei
ihm vorher öffentlich genommen worden. Also bedeutet „falsches Zeugnis“ alles, was
man nicht, wie es sich gehört, beweisen kann. Deshalb: Was nicht mit genügend Be-
weisen offenbar ist, soll niemand offenbar machen oder als Wahrheit ausgeben. Alles
in allem: Was heimlich ist, soll man heimlich bleiben lassen oder jeweils heimlich
bestrafen, wie wir hören werden. Wenn dir also ein unnützes Maul unterkommt, das
einen anderen ins Gerede bringt und verleumdet, so rede mit ihm frisch unter vier
Augen, so daß er schamrot werde. So wird mancher das Maul halten, der sonst einen
armen Menschen ins Gerede bringt, aus dem dieser schwer wieder entkommen kann.
Denn Ehre und guter Name sind schnell genommen, aber nicht so bald wiedergege-
ben.
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