Der Große Katechismus
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Teil der Lehre und Ermahnung. Doch müssen wir zum Schluß den Text wiederholen,
den wir auch oben im ersten Gebot behandelt haben, damit man lernt, wieviel Gott dar-
auf verwendet sehen will, daß man die Zehn Gebote lernt einzuhalten und zu üben.
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„Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter
heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber
Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote hal-
ten“ (2. Mose 20, 5 f.).
Dieser Zusatz, auch wenn er (wie oben gehört) zunächst dem ersten Gebot angehängt
ist, so ist er doch um aller Gebote willen dazugesetzt, da sie sich sämtlich hierauf
beziehen und darauf gerichtet sein sollen. Darum habe ich gesagt, man solle solches
auch der Jugend vorhalten und einschärfen, daß sie es lernen und behalten, damit man
sieht, was uns drängen und zwingen soll, diese Zehn Gebote zu halten. Und man soll
es nicht anders ansehen, als sei dieses Stück zu einem jeden besonders gesetzt, so daß
es in und durch sie alle geht. Nun ist (wie vorher gesagt) in diesen Worten zu-
sammengefaßt sowohl ein zorniges Drohwort als auch eine freundliche Verheißung,
um uns zu schrecken und zu warnen, dazu [aber auch] zu locken und Anreiz zu ge-
ben, daß man sein Wort als göttlichen Ernst annehme und hochachte, weil er selbst es
ausdrückt, wie sehr ihm daran gelegen ist und wie streng er darüber wachen will. Er
will nämlich alle die furchtbar und schrecklich strafen, die seine Gebote verachten
und übertreten. Andererseits will er reichlich belohnen, wohltun und alles Gute de-
nen geben, die sie hoch achten und gerne danach handeln und leben. Damit will er
gefordert haben, daß sie alle aus einem solchen Herzen heraus getan werden, das al-
lein Gott fürchtet und vor Augen hat und aus solcher Furcht alles läßt, was gegen
seinen Willen ist, um ihn nicht zu erzürnen, dagegen auch ihm allein vertraut und ihm
zuliebe tut, was er haben will, weil er sich so freundlich als ein Vater hören läßt und
uns alle Gnade und alles Gute anbietet.
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Das ist auch eben der Sinn und die richtige Auslegung des ersten und vornehmsten
Gebotes, aus dem alle anderen entspringen und hervorgehen sollen, so daß dieses
Wort: „Du sollst nicht andere Götter haben“ nichts anderes ganz schlicht sagen will,
als hier gefordert wird: „Du sollst mich als deinen einzigen rechten Gott fürchten,
lieben und mir vertrauen.“ Denn wo ein solches Herz Gott gegenüber ist, hat es die-
ses und alle anderen Gebote erfüllt. Wer aber andererseits etwas anderes im Himmel
und auf Erden fürchtet und liebt, der wird weder dieses noch ein anderes Gebot hal-
ten. Also hat die ganze Schrift überall dieses Gebot gepredigt und vorangetrieben und
hat alles auf diese zwei Stücke, Gottesfurcht und Vertrauen, gerichtet, wie vor allem
der Prophet David fast überall im Psalter, wenn er da spricht: „Der Herr hat Gefallen
an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen“ (Ps 147, 11), als wäre das gan-
ze Gebot mit einem Vers ausgelegt und sage eben dies: „Der Herr hat Gefallen an
denen, die keine anderen Götter haben.“
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Also soll nun das erste Gebot leuchten und seinen Glanz geben in alle anderen. Dar-
um mußt du auch diese Worte durch alle Gebote gehen lassen als die Schelle oder den