Der Große Katechismus
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gegeben, um uns durch sie zu sich zu bringen. Denn wir könnten (wie oben erklärt)
nie dazu kommen, die Gunst und Gnade des Vaters zu erkennen, wenn nicht durch
den Herrn Christus. Er ist ein Spiegel des väterlichen Herzens, ohne den wir nichts
sehen als einen zornigen und schrecklichen Richter. Von Christus aber könnten wir
auch nichts wissen, wenn es nicht durch den Heiligen Geist offenbart wäre.
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Darum unterscheiden und sondern diese Artikel des Glaubensbekenntnisses uns Chri-
sten von allen anderen Leuten auf Erden. Denn was außerhalb der Christenheit ist, seien
es Heiden, Türken, Juden oder falsche Christen und Heuchler, auch wenn sie nur einen
wahrhaftigen Gott glauben und anbeten, so wissen sie doch nicht, wie er gegen sie ge-
sinnt ist. Sie können auch von ihm weder Liebe noch Gutes erwarten und bleiben des-
halb in ewigem Zorn und Verdammnis. Denn sie haben den Herrn Christus nicht und
sind dazu mit keinen Gaben durch den Heiligen Geist erleuchtet und begnadet.
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Aus diesem siehst du nun, daß der Glaube eine ganz andere Lehre ist als die Zehn
Gebote. Denn jene lehren wohl, was wir tun sollen, diese [Lehre] aber sagt, was uns
Gott tut und gibt. Die Zehn Gebote sind auch ohnehin in die Herzen aller Menschen
geschrieben, den Glauben aber kann keine menschliche Klugheit begreifen, und er
muß allein vom Heiligen Geist gelehrt werden. Darum macht jene Lehre [die Zehn
Gebote] noch keinen Christen, denn es bleibt immer noch Gottes Zorn und Ungnade
über uns, weil wir es nicht halten können, was Gott von uns fordert. Aber diese [der
Glauben] bringt nur Gnade, macht uns tüchtig und Gott angenehm. Denn durch diese
Erkenntnis empfangen wir Lust und Liebe zu allen Geboten Gottes, weil wir hier
sehen, wie sich Gott ganz und gar mit allem, was er hat und kann, uns zur Hilfe und
Stütze gibt, um die Zehn Gebote zu halten: Der Vater [gibt] alle Geschöpfe, Christus
alle seine Werke, der Heilige Geist alle seine Gaben. Das soll jetzt genug vom Glau-
bensbekenntnis sein, um einen Grund zu legen für die einfachen Leute, damit man sie
nicht überlädt. So daß, wenn sie den Hauptinhalt davon verstehen, sie danach selbst
weiter nachdenken und, was sie in der Schrift lernen, hierauf beziehen und immerfort
in reicherem Verständnis zunehmen und wachsen. Denn wir haben doch täglich, so-
lange wir hier leben, daran zu predigen und zu lernen.
Der dritte Teil
Das Vaterunser
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Wir haben nun gehört, was man tun und glauben soll, worin das beste und seligste
Leben besteht. Jetzt folgt als drittes Stück, wie man beten soll. Denn weil es so mit
uns steht, daß kein Mensch, auch wenn er angefangen hat zu glauben, die Zehn Gebo-
te vollkommen halten kann und sich der Teufel mit aller Gewalt zusammen mit der
Welt und unserm eigenen Fleisch dagegen sperrt, ist nichts so nötig, wie daß man