Der Große Katechismus
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das Wort „Ecclesia“). Denn sie nennen es in ihrer Sprache „Kyria“, wie man es latei-
nisch „Curia“ nennt
Darum sollte es in rechtem Deutsch und unserer Muttersprache
„eine christliche Gemeinde oder Versammlung“ oder aufs allerbeste und klarste „eine
heilige Christenheit“ heißen. Also sollte auch das Wort „Communio“, das daran gehängt
ist, nicht „Gemeinschaft“, sondern „Gemeinde“ heißen. Es ist nichts anderes als die
Anmerkung oder Auslegung, durch die jemand hat deuten wollen, was „christliche Kir-
che“ heißt. Daraus haben die Unseren, die weder Lateinisch noch Deutsch gekonnt ha-
ben, „Gemeinschaft der Heiligen“ gemacht, obwohl doch die deutsche Sprache nicht so
redet noch es versteht. Um richtig deutsch zu reden, müßte es heißen „eine Gemeinde
der Heiligen“. Das ist eine Gemeinde, in der lauter Heilige sind, oder noch klarer: „eine
heilige Gemeinde“. Das sage ich deshalb, damit man die Worte versteht, weil es so als
Gewohnheit eingerissen ist, daß es schwerlich wieder herauszureißen ist, und man nennt
es gleich Ketzerei, wenn man ein Wort ändert.
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Das ist aber der Sinn und Hauptinhalt von diesem Zusatz: Ich glaube, daß es eine
heilige Schar und eine Gemeinde auf Erden von lauter Heiligen gibt unter einem
Haupt, [nämlich] Christus, durch den Heiligen Geist zusammenberufen, in einem
Glauben, Sinn und Verstehen, mit mancherlei Gaben, doch einträchtig in der Liebe,
ohne Rotten und Spaltung. Von dieser bin auch ich ein Stück und Glied, aller Güter,
die sie hat, teilhaftig und Mitgenosse, durch den Heiligen Geist dahingebracht und
einverleibt dadurch, daß ich Gottes Wort gehört habe und noch höre, was der Anfang
ist, um hineinzukommen. Denn vorher, ehe wir dazu gekommen sind, sind wir ganz
des Teufels gewesen als die, die wir von Gott und Christus nichts gewußt haben. So
bleibt der Heilige Geist bei der heiligen Gemeinde oder Christenheit bis auf den
Jüngsten Tag. Durch sie holt er uns und gebraucht sie dazu, das Wort zu führen und
zu treiben, wodurch er die Heiligung macht und mehrt, damit sie täglich zunimmt und
stark wird im Glauben und seinen Früchten, die er schafft.
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Danach glauben wir weiter, daß wir in der Christenheit Vergebung der Sünde haben,
was durch die heiligen Sakramente und Absolution geschieht, dazu allerlei Trost-
sprüche des ganzen Evangeliums. Darum gehört hierher, was von den Sakramenten
zu predigen ist, und zusammengefaßt das ganze Evangelium und alle Ämter der
Christenheit. Dies muß auch unaufhörlich weitergehen. Denn wenn auch Gottes Gna-
de durch Christus erworben ist und die Heiligkeit durch den Heiligen Geist gemacht
ist durch Gottes Wort in der zur Einheit versammelten christlichen Kirche, so sind wir
doch nie ohne Sünde, unseres Fleisches wegen, das wir noch mit uns herum-
schleppen. Darum ist alles in der Christenheit dazu geordnet, daß man da täglich lau-
ter Vergebung der Sünden durch Wort und Zeichen holt, um unser Gewissen zu trös-
ten und aufzurichten, solange wir hier leben. Also bewirkt der Heilige Geist, daß,
obwohl wir Sünde haben, sie uns doch nicht schaden kann, weil wir in der Christen-
heit sind, wo lauter Vergebung der Sünde ist, sowohl daß uns Gott vergibt, als auch
daß wir einander vergeben, tragen und aufhelfen. Außerhalb der Christenheit aber, wo
78 Das Wort „Kirche“ stammt ab von dem althochdeutschen Wort „kiricha“, das auf das griechische Wort
„kyriakon“ („zum Herrn gehörig“) zurückgeht.