Der Große Katechismus
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ein freundlicher Vater, der für uns sorgt, damit uns kein Leid widerfährt. Aber dar-
über mehr zu sagen, gehört in die anderen zwei Stücke dieses Artikels, in denen es
„der allmächtige Vater“
heißt.
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Hieraus folgt von selbst der Schluß: Weil uns das alles, was wir besitzen, dazu was im
Himmel und auf Erden ist, täglich von Gott gegeben, erhalten und bewahrt wird, so
sind wir es ihm wahrlich schuldig, ihn dafür unablässig zu lieben, zu loben und zu
danken und, kurz gesagt, ihm ganz und gar damit zu dienen, wie er durch die Zehn
Gebote fordert und befohlen hat. Hier wäre nun viel dazu zu sagen, wenn man es
ausführlich behandeln wollte, wie wenige es sind, die diesen Artikel glauben. Denn
wir gehen alle drüberhin, hören es und sagen es, sehen aber und bedenken nicht, was
uns die Worte auftragen. Denn wenn wir es von Herzen glaubten, würden wir auch
danach handeln und nicht so stolz dahergehen, trotzig sein und uns brüsten, als hätten
wir das Leben, Reichtum, Gewalt und Ehre usw. von uns selbst, so daß man uns
fürchten und dienen müßte, wie es die unselige, verkehrte Welt tut. Sie ist in ihrer
Blindheit ersoffen, mißbraucht alle Güter und Gaben nur zu ihrem Dünkel, Geiz, Lust
und Vergnügen und sieht nicht einmal auf Gott, um ihm zu danken oder [ihn] als
Herrn und Schöpfer zu erkennen. Darum müßte uns dieser Artikel alle demütig ma-
chen und erschrecken, wenn wir es glaubten. Denn wir sündigen täglich mit Augen,
Ohren, Händen, Leib und Seele, Geld und Gut und mit allem, was wir haben, besonders
diejenigen, die noch gegen Gottes Wort kämpfen. Doch haben die Christen den Vorteil,
daß sie sich als schuldig erkennen, ihm dafür zu dienen und gehorsam zu sein.
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Deshalb sollen wir diesen Artikel täglich üben, uns einprägen und uns in allem erin-
nern, was uns vor Augen kommt und Gutes widerfährt, und, wo wir aus Nöten oder
Gefahr kommen, wie uns Gott dies alles gibt und tut, so daß wir daran sein väterli-
ches Herz und seine überschwengliche Liebe uns gegenüber spüren und sehen. Da-
von würde das Herz warm werden und dazu ermuntert, dankbar zu sein und alle sol-
che Güter zu Gottes Ehre und Lob zu gebrauchen. So haben wir aufs kürzeste den
Sinn dieses Artikels, soviel wie es für die einfachen Leute zunächst nötig ist, sowohl
zu lernen, was wir von Gott haben und empfangen, als auch was wir dafür schuldig
sind. Das ist in der Tat eine große, vortreffliche Erkenntnis, aber ein noch viel höhe-
rer Schatz. Denn da sehen wir, wie sich der Vater uns gegeben hat mit allen Geschöp-
fen und uns in diesem Leben aufs allerreichlichste versorgt, abgesehen davon, daß er
uns sonst auch mit unaussprechlichen, ewigen Gütern durch seinen Sohn und Heili-
gen Geist überschüttet, wie wir hören werden.
Der zweite Artikel
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen
durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius
Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des To-
74 Vgl. oben Anm. 32 (zu Nr. 14).