Die Bekenntnisschriften - page 510

Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
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X. Von den Kirchengebräuchen, die man Adiaphora oder Mitteldinge nennt
Um die Zeremonien oder Kirchengebräuche, die in Gottes Wort weder geboten noch
verboten sind, sondern um der guten Ordnung und des Anstands willen in die Kirche
eingeführt worden sind, hat sich auch ein Streit zwischen den Theologen der Augs-
burgischen Konfession zugetragen.
Die Hauptstreitfrage
Die Hauptfrage aber ist gewesen, ob man in der Zeit der Verfolgung, wenn ein Be-
kenntnis erforderlich ist und wenn sich die Feinde des Evangeliums in der Lehre nicht
mit uns einigen, dennoch mit ruhigem Gewissen etliche abgeschaffte Zeremonien, die
an sich Mitteldinge und von Gott weder geboten noch verboten sind, auf das Drängen
und Fordern der Widersacher hin wiederaufgreifen und sich so mit ihnen in solchen
Zeremonien und Mitteldingen einigen solle. Die eine Seite hat ja, die andere Seite hat
nein dazu gesagt.
Affirmativa
Die rechte, wahre Lehre und [das] Bekenntnis von diesem Artikel
1. Zur Beilegung auch dieses Streits glauben, lehren und bekennen wir einhellig, daß
die Zeremonien oder Kirchengebräuche, die in Gottes Wort weder geboten noch ver-
boten, sondern allein um des Anstands und guter Ordnung willen eingerichtet sind, an
und für sich selbst kein Gottesdienst, auch kein Teil dessen sind. Mt 15 (v. 9): „Sie
ehren mich vergeblich mit menschlichen Geboten.“
2. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die Gemeinde Gottes an jedem Ort und
jederzeit, wenn es erforderlich ist, Macht hat, solche Zeremonien zu ändern, wie es der
Gemeinde Gottes am nützlichsten und erbaulichsten sein mag.
3. Jedoch sollen hierbei alle Leichtfertigkeit und Ärgernis vermieden und besonders auf
die Schwachgläubigen ganz und gar Rücksicht genommen werden (1. Kor 8, 7–13;
Röm 14, 1.13–15).
4. Wir glauben, lehren und bekennen, daß in der Zeit der Verfolgung, wenn von uns
ein klares Bekenntnis des Glaubens gefordert wird, den Feinden in solchen Mitteldin-
gen keine Zugeständnisse zu machen sind, wie der Apostel geschrieben hat: „So be-
stehet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, und laßt euch nicht wieder-
um in das knechtische Joch fangen“ (Gal 5, 1); ebenso: „Zieht nicht am fremden Joch;
was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?“ (2. Kor 6, 14); ebenso: „Auf
daß die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestünde, wichen wir denselben nicht eine
Stunde, ihnen untertan zu sein“ (Gal 2, 5). Denn in einem solchen Fall geht es nicht
mehr um Mitteldinge, sondern um die Wahrheit des Evangeliums, um die christliche
Freiheit und um die Bestätigung öffentlicher Abgötterei wie auch darum zu verhüten,
daß den Schwachen im Glauben ein Ärgernis gegeben wird. Darin sollen wir keine
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