Die Bekenntnisschriften - page 506

Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
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10. Daher glauben, lehren und bekennen wir, daß des Menschen Sohn realiter, das
heißt tatsächlich und wahrhaftig, nach der menschlichen Natur zur Rechten der all-
mächtigen Majestät und Kraft Gottes erhöht ist, weil er in Gott aufgenommen worden
ist, als er von dem Heiligen Geist im Mutterleib empfangen und seine menschliche
Natur mit dem Sohn des Allerhöchsten persönlich vereinigt wurde.
11. Diese Majestät hat er nach der persönlichen Vereinigung stets gehabt und sich ihrer
doch im Stande seiner Erniedrigung entäußert und hat aus diesem Grunde wahrhaftig „an
Alte
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, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen“ zugenommen (Lk 2, 52).
Darum hat er diese Majestät nicht allezeit, sondern nur dann, wenn es ihm gefallen hat,
deutlich gemacht, bis er die Knechtsgestalt (Phil 2, 7), nicht aber die menschliche
Natur nach seiner Auferstehung ganz und gar abgelegt hat und in den vollständigen
Gebrauch, die Offenbarung und vollständige Ausübung der göttlichen Majestät einge-
setzt worden ist und so in seine Herrlichkeit eingegangen ist, daß er jetzt nicht allein
als Gott, sondern auch als Mensch alles weiß, alles vermag, allen Kreaturen gegen-
wärtig ist und alles, was im Himmel, auf Erden und unter der Erde ist, unter seinen
Füßen und in seinen Händen hat (Joh 13, 3), wie er selbst bezeugt: „Mir ist gegeben
alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Mt 28, 18). Und Sankt Paulus spricht: Er ist
„über alle Himmel“ gefahren, „auf daß er alles erfüllte“ (Eph 4, 10). Diese seine Ge-
walt kann er überall gegenwärtig ausüben, und ihm ist alles möglich und nichts unbe-
kannt.
12. Daher vermag er es auch, und es ist für ihn ganz leicht, seinen wahren Leib und
sein wahres Blut im heiligen Abendmahl gegenwärtig mitzuteilen, nicht nach Art oder
Eigenschaft der menschlichen Natur, sondern nach Art und Eigenschaft der Rechten
Gottes. So begründet es D[octor] Luther aus unserem christlichen Glaubensbekennt-
nis.
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Diese Gegenwart ist weder irdisch noch „kapernaitisch
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und doch wahrhaftig
und wesentlich, wie die Worte des Testaments Christi lauten: „
Das ist, ist, ist
mein
Leib“ usw. (Mt 26, 26; Mk 14, 22; Lk 22, 19; 1. Kor 11, 24).
Durch diese unsere Lehre, Glauben und Bekenntnis wird die Person Christi nicht ge-
trennt, wie es Nestorius
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getan hat (der die Communicatio idiomatum, das ist die
wahrhaftige Gemeinschaft der Eigenschaften beider Naturen in Christus, geleugnet
und so die Person getrennt hat, wie Luther dies in seiner Schrift von den Konzilien
und Kirchen erklär
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), noch werden die Naturen samt ihren Eigenschaften miteinan-
der in ein Wesen vermischt, welchen Irrtum Eutyches
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gelehrt hat, noch wird die
32 So in der Handschrift Andreaes; das Konkordienbuch Dresden 1580 hatte korrigiert zu „aller“.
33 Vgl. Luther, Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis (1528); sowie: Daß diese Worte Christi „Das ist mein Leib“
noch fest stehen wider die Schwarmgeister (1527).
34 Vgl. oben Anm. 27.
35 Nestorius († nach 451), aus Antiochien stammend, Patriarch von Konstantinopel, hatte die Bezeichnung
„Gottesgebärerin“ für Maria abgelehnt und den Akzent auf die Menschennatur Christi gesetzt. Maria sei – seiner
Ansicht nach zutreffender – „Christusgebärerin“ zu nennen. Die Synode von Ephesus 431 verdammte Nestorius. Die
altkirchliche Beschreibung und Verurteilung seiner Lehre gilt neuerdings nicht mehr als zutreffend und berechtigt.
36 Luther, Von Konzilien und Kirchen (1539).
37 Eutyches († nach 454), Archimandrit bei Konstantinopel und – gegen die antiochenische Schule – zur alexan-
drinischen Richtung gehörend, vertrat eine bis zur Vergottung des Leibes Christi reichende Vereinigung der Naturen
in Christus. Der dadurch ausgelöste „eutychianische Streit“ fand seinen Abschluß in den Formulierungen des Konzils
von Chalkedon 451, das das Verhältnis der göttlichen und menschlichen Natur in Christus als „nicht miteinander
vermischt“, „nicht ineinander verwandelt“, „nicht voneinander geschieden“ und „ungetrennt“ definierte.
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