Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
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Affirmativa
Reine, wahre Lehre von diesem Artikel
1. Zu Anfang ist der Unterschied zwischen „praescientia“ und „praedestinatio“, das ist
zwischen der Vorhersehung und der ewigen Wahl Gottes, sorgfältig zu beachten.
2. Denn die Vorhersehung Gottes ist nichts anderes, als daß Gott alle Dinge weiß, ehe
sie geschehen, wie geschrieben steht: „Gott im Himmel kann verborgene Dinge of-
fenbaren; der hat dem König Nebukadnezar angezeigt, was in künftigen Zeiten ge-
schehen soll“ (Dan 2, 28).
3. Diese Vorhersehung erstreckt sich über Fromme und Böse zugleich. Sie ist aber
nicht die Ursache des Bösen, weder der Sünde, daß man Unrecht tue, welche ur-
sprünglich aus dem Teufel und dem bösen, verkehrten Willen des Menschen her-
kommt, noch des Verderbens, an dem die Menschen selbst schuld sind. Sondern Got-
tes Vorhersehung gibt dem lediglich Maß und Ziel; sie bestimmt, wie lange es währen
soll und daß alles, ohne Rücksicht darauf, daß es an sich böse ist, Gottes Auserwähl-
ten zu ihrem Heil dienen soll.
4. Die Prädestination aber oder ewige Wahl Gottes erstreckt sich allein auf die from-
men, wohlgefälligen Kinder Gottes. Sie ist der Grund ihrer Seligkeit, welche Gott
auch bewirkt. Er ordnet das an, was zu ihr gehört. Darauf ist unsere Seligkeit so fest
gegründet (Joh 10, 27–29), daß sie die „Pforten der Hölle nicht überwältigen“ können
(Mt 16, 18).
5. Die ewige Wahl Gottes ist nicht in dem heimlichen Ratschluß Gottes zu erforschen,
sondern in dem Wort Gottes zu suchen, in dem sie auch offenbart worden ist.
6. Das Wort Gottes aber führt uns zu Christus, der das „Buch des Lebens“ (Phil 4, 3;
Offb 3, 5) ist, in dem alle die geschrieben stehen und erwählt sind, die ewig selig wer-
den sollen, wie geschrieben steht: „Er hat uns durch denselben (Christus) erwählt, ehe
der Welt Grund gelegt war“ (Eph 1, 4).
7. Dieser Christus ruft alle Sünder zu sich und verheißt ihnen Erquickung, und es ist ihm
Ernst, daß alle Menschen zu ihm kommen und sich helfen lassen sollen (Mt 9, 35–38;
11, 28), denen er sich im Wort anbietet, und er will, daß man es höre und sich nicht
die Ohren verstopfe oder das Wort verachte. Er verheißt dazu die Kraft und Wirkung
des Heiligen Geistes, göttlichen Beistand zur Beständigkeit und ewige Seligkeit.
8. Deshalb sollen wir in der Frage nach unserer Wahl zum ewigen Leben weder nach
der Vernunft noch nach dem Gesetz Gottes urteilen. Denn das führt uns entweder in
ein verantwortungsloses, an Gewinn und Genuß ausgerichtetes Leben
oder stürzt uns
in Verzweiflung und weckt verderbliche Gedanken in den Herzen der Menschen, so
daß sie bei sich selbst folgendes denken, sich auch solcher Gedanken nicht recht er-
wehren können, solange sie auf ihre Vernunft hören: Hat mich Gott zur Seligkeit er-
wählt, so kann ich nicht verdammt werden, was auch immer ich tun mag; oder aber:
43 So für „wild, wüst epikurisch Leben“ in der Konkordienformel; vgl. oben Anm. 23.