Bündige Zusammenfassung strittiger Artikel
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20. Wenn gelehrt und der Spruch Mt 28 (v. 18): „Mir ist gegeben alle Gewalt“ usw.,
so gedeutet und lästerlich verdreht wird, daß Christus nach der göttlichen Natur in der
Auferstehung und seiner Himmelfahrt alle Gewalt im Himmel und auf Erden restitu-
iert, das heißt wieder zurückgegeben worden sei, so als hätte er im Stand seiner Er-
niedrigung auch nach der Gottheit die Allmacht abgelegt und aufgegeben. Durch die-
se Lehre werden nicht allein die Worte des Testaments Christi verdreht, sondern es
wird auch der verdammten arianischen Ketzere
der Weg bereitet, so daß letzten
Endes die ewige Gottheit Christi verleugnet und damit Christus ganz und gar samt
unserer Seligkeit verlorengehen [würde], wenn einer solchen falschen Lehre auf der
festen Grundlage des göttlichen Wortes und unseres schlichten christlichen Glaubens
nicht widersprochen würde.
IX. Von der Höllenfahrt Christi
Die Hauptstreitfrage
Es ist auch unter etlichen Theologen, die sich zur Augsburgischen Konfession beken-
nen, um diesen Artikel gestritten worden: Wann und auf welche Weise der Herr Chri-
stus, nach unserem schlichten christlichen Glauben, zur Hölle gefahren sei; ob es vor
oder nach seinem Tode geschehen sei. Ebenso, ob dies allein die Seele oder allein die
Gottheit betroffen habe, oder ob es sich mit Leib und Seele, geistlich oder leiblich
zugetragen habe. Ebenso, ob dieser Artikel zum Leiden oder zum herrlichen Sieg und
Triumph Christi gehöre.
Weil aber dieser Artikel, wie auch der vorangegangene, weder mit den Sinnen noch
mit der Vernunft begriffen werden kann, sondern allein mit dem Glauben erfaßt wer-
den muß, ist unser einhelliger Ratschlag, daß dies nicht disputiert werden, sondern nur
ganz schlicht geglaubt und gelehrt werden solle, wie der selige D[octor] Luther in der
Predigt zu Torgau im Jahre 1533
diesen Artikel ganz christlich erklärt, alle unnüt-
zen, überflüssigen Fragen zum Schweigen gebracht und alle frommen Christen zu
christlicher Schlichtheit des Glaubens ermahnt hat.
Denn es ist genug, daß wir wissen, daß Christus in die Hölle gefahren ist, allen
Gläubigen die Hölle zerstört und sie aus der Gewalt des Todes, [des] Teufels und von
ewiger Verdammnis des höllischen Rachens erlöst hat. Die Frage aber, wie dies zuge-
gangen sei, sollen wir bis in die andere Welt aufsparen, in der uns nicht allein dieses
Geheimnis, sondern auch noch anderes mehr offenbart wird, was wir hier einfach nur
geglaubt haben und mit unserer blinden Vernunft nicht haben begreifen können.
40 Vgl. oben Anm. 38.
41 Luther, Predigten des Jahres 1533. Dritte Predigt auf den Ostertag.