Die Bekenntnisschriften - page 57

Das Augsburger Bekenntnis
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[Lehre von den Überlieferungen; CR 389] Da also abergläubische Meinungen dieser Art an den
Überlieferungen hingen, mußte man die Gemeinden lehren, was von jenen Überlieferungen zu
halten sei, die frommen Herzen vom Irrtum befreien, furchtsame Gewissen heilen und die
Wohltat Christi ans Licht bringen. Wir tun dies nicht, um das Ansehen der Kirchengewalt zu
erschüttern. Wir schmälern nicht die Würde der Bischöfe; wir zerstören nicht die gute Ordnung
der Kirche. Richtig verstandene Überlieferungen werden noch mehr geliebt; getadelt werden nur
jene jüdischen Meinungen.
In folgender Weise also lehren wir von Überlieferungen in der Kirche, die auf menschlicher
Autorität beruhen. Erstens von Überlieferungen, die den Geboten Gottes widerstreiten oder nicht
ohne Sünde beachtet werden können. Hier ist die Regel der Apostel zu befolgen (Apg 5, 29): „Man
muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Von dieser Art ist die Überlieferung vom Zölibat.
Sodann von sonstigen Zeremonien, die ihrem Wesen nach Mitteldinge oder indifferent sind, wie
Fasten, Feiertage, Unterschiede in der Kleidung und ähnliches. Man muß wissen, daß solche
Gebräuche weder die Sündenvergebung verdienen noch die Gerechtigkeit oder christliche
Vollkommenheit sind, sondern Adiaphora sind, die ohne Ärgernis unterlassen werden können.
[Schriftbeweis] Sie fügen Zeugnisse aus der Schrift hinzu. Christus entschuldigt die
Apostel, die nicht die gewohnte Tradition befolgt hatten, die doch zu den neutralen
Dingen zu gehören und verwandt zu sein schien mit den Waschungen des Gesetzes.
Er sagt aber: „Umsonst ehren sie mich nach Geboten der Menschen“ (Mt 15, 9).
Also verlangt er nicht eine unnütze kultische Handlung. Und kurz darauf fügt er
hinzu: „Was zum Munde eingeht, verunreinigt den Menschen nicht“ (Mt 15, 11).
Ebenso Röm 14 (v. 17): „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken“; Kol 2 (v. 16):
„Niemand soll euch richten in bezug auf Speise, Trank, Sabbat oder Festtag.“ Apg
15 (v. 10.11) sagt Petrus: „Warum versucht ihr Gott, indem ihr ein Joch auf den Na-
cken der Jünger legt, das weder wir noch unsere Väter tragen konnten? Sondern durch
die Gnade unseres Herrn Jesu [105] Christi glauben wir selig zu werden, so wie auch
jene.“ Hier verbietet Petrus, die Gewissen zu beladen mit einer Vielzahl von Gebräu-
chen, sei es des Mose oder von anderen. Und 1. Tim 4 (v. 1.3) bezeichnet die Speise-
verbote als Lehren von Dämonen, weil es dem Evangelium widerstreitet, solche Wer-
ke einzusetzen oder zu tun, um durch sie Gnade zu verdienen oder weil die christliche
Gerechtigkeit ohne solchen Kult nicht bestehen könnte.
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[Schriftbeweis] Die Zeugnisse für diese Lehre stehen hell und klar im Evangelium und in den
Erörterungen des Paulus. Denn der Heilige Geist hat es der Mühe wert gehalten, die Kirche in
dieser Sache sorgfältig zu belehren, damit nicht abergläubische Meinungen das Evangelium
unter sich begraben.
Röm 14 (v. 17): „Das Reich Gottes ist nicht Essen oder Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede
und Freude im Heiligen Geist.“ Hier lehrt Paulus klar genug, daß christliche Gerechtigkeit die geist-
lichen Bewegungen des Herzens sind und nicht die äußeren Gebräuche von Speisen, [Feier-]Tagen
usw.
Kol 2 (v. 16): „Niemand soll euch richten wegen Speise oder Trank oder wegen eines
bestimmten Feiertages.“ Er verbietet, die Gewissen zu richten, das heißt, sie wegen des
Gebrauchs solcher Dinge zu verdammen. Sondern er will überhaupt, daß sie für neutrale Dinge
gehalten werden, für solche, die sich nicht auf die Gerechtigkeit des Evangeliums beziehen.
Darauf folgt noch eine lange und ernste Predigt sowohl über die mosaischen Riten als auch über
die durch menschliche Autorität eingesetzten Zeremonien. Denn Paulus spricht ausdrücklich von
beiden Arten, bestreitet, daß sie die christliche Gerechtigkeit sind, und verbietet, die Gewissen
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