Die Bekenntnisschriften - page 58

Das Augsburger Bekenntnis
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mit solchen Überlieferungen zu beladen. „Wenn ihr nun mit Christus den Mächten der Welt
gestorben seid, warum macht ihr dann Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt: Du sollst das
nicht anfassen, das nicht kosten, das nicht berühren?“ (Kol 2, 20.21)
Mt 15 (v. 11): „Was zum Munde hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein.“ Dort
nämlich entschuldigt Christus die Apostel, [CR 390] die die gebräuchliche Überlieferung
verletzen, und er fügt ausdrücklich den Satz hinzu (Mt 15, 9): „Umsonst ehren sie mich nach
Geboten der Menschen.“ Er bestreitet, daß dies wahre und nützliche Gottesdienste sind, die zur
Gerechtigkeit vor Gott führen. Deshalb sind sie nicht die christliche Gerechtigkeit und sind
keine notwendigen Gottesdienste. Nun aber steht fest, daß menschliche Gottesdienste in der
Kirche bisher in unglaublicher Weise zugenommen haben. Ständig waren die Mönche auf neue
abergläubische Zeremonien aus. Und diese Spielereien hielt man für das Wichtigste am
Gottesdienst und der Frömmigkeit, obwohl Christus in einem gewichtigen Ausspruch verbietet,
menschliche Zeremonien für Gottesdienste zu halten. Er verbietet nämlich nicht,
Überlieferungen für einen politischen Zweck, das heißt, für eine gute Ordnung zu schaffen. Aber
er bestreitet, daß das Gottesdienste seien, indem er sagt: „Vergeblich dienen sie mir.“ Auch
lehrt er, die wahren Gottesdienste seien die göttlich gebotenen Werke wie Furcht [Gottes],
Glaube, Liebe, Geduld, Keuschheit, dem Beruf folgen, ein Amt versehen usw.
Apg 15 (v. 10.11) sagt Petrus: „Warum versucht ihr denn nun Gott dadurch, daß ihr ein Joch
auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsere Väter noch wir haben tragen können?
Vielmehr glauben wir, durch die Gnade unseres Herrn Jesu Christi selig zu werden, ebenso wie
auch sie.“ Hier lehrt Petrus, daß uns die Sündenvergebung und das Heil um Christi willen zuteil
werden, nicht wegen mosaischer oder ähnlicher Riten. Und er erinnert daran, daß diejenigen
aufs Schwerste sündigen, die die Gewissen mit solchen Vorschriften beladen. Denn es ist kein
leichter Tadel, wenn er sagt: „Was versucht ihr Gott?“
Auch 1. Tim 4 (v. 1–3) bezeichnet Paulus das Verbot von Speisen, der Ehe und ähnliche Über-
lieferungen als „Lehren von Dämonen“. Warum aber gebraucht er ein so hartes Scheltwort? Er
wollte nicht, daß überhaupt keine Anordnungen erfolgen, daß überhaupt keine Unterschiede von
Orten und Zeiten beachtet werden. Er beurteilt sie aber dann als Lehren von Dämonen, wenn
auf sie die Wohltat Christi übertragen wird, wenn sie für die Gerechtigkeit sowie für notwendige
Gottesdienste gehalten werden, wenn ihnen die Meinung, sie seien heilsnotwendig, beigelegt
wird, wenn die Gewissen gequält werden und ihnen der Glaube ausgetrieben wird. Diese
[CR 391] Unzuträglichkeiten wollen Christus und die Apostel verhüten. Darum predigen sie oft
so heftig gegen die Überlieferungen. Und man muß sich wundern, daß durch solche
Donnerschläge diejenigen überhaupt nicht bewegt werden, die die abergläubischen Meinungen
von den Überlieferungen verteidigen.
[Verwerfungen abergläubischer Gebräuche] Es gibt aber zweierlei Überlieferungen. Einige
drängen auf Werke, die klar dem göttlichen Gesetz widerstreiten, wie z. B. das Verbot der Ehe.
In der Kirche aber muß diese Regel gelten: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
(Apg 5, 29) Daher steht fest, daß man solchen menschlichen Überlieferungen keinesfalls
gehorchen darf. Andere sprechen von Dingen, die ihrem Wesen nach Adiaphora sind, wie
Speisen, Kleidung und ähnliche Dinge. Diese Überlieferungen werden gottlos, wenn sie mit den
Gedanken verbunden werden, daß sie Sündenvergebung verdienen, daß sie heilsnotwendig, daß
sie Gottesdienste sind, das heißt Pflichten, deren unmittelbarer Zweck es ist, durch sie Gott Ehre
zu erweisen. Diese verderblichen Meinungen müssen in der Kirche deutlich benannt werden.
Und um dieser Meinungen willen sind die menschlichen Riten als unnütz zu verwerfen, wie die
Unterscheidung von Speisen, Mönchskleidung und ähnliche abergläubische Gebräuche. So
hat Hiskia die eherne Schlange vernichtet, als er sah, daß sie von vielen Leuten verehrt wurde
(2. Kön 18, 4). Aber weil die menschliche Gesellschaft in diesem leiblichen Leben eine Ordnung
braucht, können einige nützliche Riten zu diesem politischen Zweck beibehalten werden, wenn
dies ohne abergläubische [CR 392] Meinungen geschieht, das heißt, wenn sie nicht als
Gottesdienste oder als heilsnotwendig betrachtet werden, damit das Volk weiß, wann die
Versammlung in den Kirchen stattfinden soll zur Predigt und zum Gebrauch der Sakramente.
Denn jener Dienst muß öffentlich sein. [Dazu] ist es nützlich, bestimmte Zeiten festzusetzen.
[Als gute Ordnung bewahrte Überlieferungen] So werden bei uns die Sonntage und die meisten
anderen Feiertage gehalten, und es wird die gewohnte Ordnung der besonderen Geschichten für
die Predigten zu Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und an anderen Tagen
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