Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Wenn also die Vergebung der Sünden und die Versöhnung nicht umsonst geschieht
um Christi willen, sondern um unserer Liebe willen, so wird niemand Sündenverge-
bung erlangen, es sei denn, er würde das ganze Gesetz erfüllen. Das Gesetz nämlich
rechtfertigt nicht, solange es uns anklagen kann. Damit ist deutlich: Weil die Recht-
fertigung Versöhnung um Christi willen ist, werden wir durch Glauben gerechtfertigt,
da es völlig gewiß ist, daß allein durch Glauben die Sündenvergebung empfangen
wird.
[„Rechtfertigung durch Liebe“ würde die Versöhnung durch Christus verleugnen]
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[192] Jetzt also wollen wir
auf die oben gestellte Frage antworten, warum die Liebe
nicht rechtfertigt.
Die Gegner meinen zu Recht, die Liebe sei die Erfüllung des Ge-
setzes.
Und der Gehorsam gegen das Gesetz wäre die Gerechtigkeit, wenn wir das
Gesetz erfüllten. Doch haben wir bisher gezeigt, daß die Verheißungen deshalb ge-
geben sind, weil wir das Gesetz nicht erfüllen können. Aus diesem Grunde bestreitet
Paulus, daß wir aus dem Gesetz gerechtfertigt werden. Die Gegner täuschen sich,
weil sie in dieser ganzen Auseinandersetzung ausschließlich auf das Gesetz schauen.
Denn die menschliche Vernunft kann nicht anders urteilen, als daß Gerechtigkeit
nach dem Gesetz zu erstreben sei, weil Gehorsam gegen das Gesetz Gerechtigkeit ist.
Aber das Evangelium ruft uns fort vom Gesetz zu den Verheißungen und lehrt, daß
wir nicht wegen unseres Gehorsams gegen das Gesetz für gerecht erklärt werden
(denn wir tun dem Gesetz nicht Genüge), sondern deshalb, weil uns die Versöhnung
um Christi willen geschenkt wird. Und die erlangen wir nur durch den Glauben. Be-
vor wir also das Gesetz erfüllen, müssen wir durch den Glauben Sündenvergebung
und Versöhnung empfangen. Guter Gott! Wie wagen sie es, Christus zu nennen, wie
trauen sie sich, die Bücher des Evangeliums anzublicken – sie, die bestreiten, daß wir
allein durch den Glauben um Christi willen Sündenvergebung erlangen?
[Auch im Glauben nur ein Anfang von Gesetzeserfüllung]
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Zweitens ist auch die Erfüllung des Gesetzes selbst, die der Erneuerung folgt, unzu-
reichend und unrein. Obwohl nämlich die Erneuerung begonnen hat, haften in der
Natur auch weiterhin Reste der Sünde, die uns immer anklagen, sofern wir nicht
durch den Glauben an Christus die Sündenvergebung ergreifen und wissen, daß wir
Zugang zu Gott haben – nicht wegen unserer Gesetzeserfüllung, sondern um Christi
willen. Deshalb ist jene Gesetzeserfüllung nicht um ihrer selbst willen [bei Gott]
angenommen, sondern um des Glaubens willen.
[195] [CR 455] Wenn Paulus deshalb
schreibt, das Gesetz werde durch den Glauben aufgerichtet (Röm 3, 31), so ist das
nicht nur dahingehend zu verstehen, daß die durch Glauben Wiedergeborenen den
Heiligen Geist empfangen und mit dem Gesetz Gottes übereinstimmende Regungen
haben, sondern es ist ganz besonders auch hinzuzufügen, daß wir spüren müssen, daß
wir noch weit von der Vollkommenheit des Gesetzes entfernt sind. Deshalb können
wir nicht darauf vertrauen, wegen unserer Gesetzeserfüllung vor Gott als gerecht zu