Die Bekenntnisschriften - page 110

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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den Glauben empfangen. Auch lehren sie nicht über den Mittler Christus, daß wir um
seinetwillen einen gnädigen Gott
haben
, sondern um unserer Liebe willen. Und doch
sagen sie nicht und können es auch nicht sagen, welcher Art diese Liebe ist. Sie
prahlen damit, das Gesetz zu erfüllen, obgleich dieser Ruhm eigentlich Christus
gebührt; und das Vertrauen auf die eigenen Werke halten sie dem Gerichtsspruch
Gottes entgegen. Sie behaupten nämlich, durch ihr Würdigkeitsverdiens
t
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Gnade und
ewiges Leben zu erlangen. Das ist einfach ein gottloses und eitles Vertrauen. Denn in
diesem Leben können wir dem Gesetz nicht Genüge tun, weil die fleischliche Natur
nicht aufhört, böse Regungen hervorzubringen, obwohl ihnen der Heilige Geist in uns
widersteht.
[Warum rechtfertigt die Liebe nicht?]
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Doch könnte jemand fragen: Da auch wir bekennen, daß die Liebe ein Werk des
Heiligen Geistes ist, und da sie Gerechtigkeit ist, weil sie das Gesetz erfüllt – warum
lehren wir dann nicht, daß sie rechtfertigt? Darauf ist folgendes zu antworten: Zu-
nächst ist dies sicher: Wir empfangen die Vergebung der Sünden weder durch die
Liebe noch um unserer Liebe willen, sondern um Christi willen allein durch den
Glauben. Allein der Glaube, der auf die Verheißung schaut und weiß, daß man des-
halb gewiß sein soll, daß Gott vergibt, weil Christus nicht umsonst gestorben ist usw.,
überwindet die Schrecken der Sünde und des Todes. Wenn jemand zweifelt, ob ihm
die Sünden vergeben werden, schmäht er Christus, da er urteilt, die eigene Sünde sei
größer oder wirksamer als der Tod und die Verheißung Christi, obwohl doch Paulus
sagt: „Die Gnade übertrifft die Sünde“ (Röm 5, 20), d. h.: Die Barmherzigkeit ist
stärker als die Sünde. Wenn jemand meint, er erlange die Vergebung der Sünden
deshalb, weil er liebt, tut er Christus Schmach an und wird im Gericht Gottes erfah-
ren, daß dieses Vertrauen auf die eigenen Werke gottlos und eitel ist. [CR 451] Daher
ist unumgänglich, daß es der Glaube ist, der versöhnt und
aus einem Ungerechten zu
einem Gerechten macht
. Und wie wir Vergebung der Sünden nicht wegen anderer
Tugenden des Gesetzes empfangen (etwa aufgrund von Geduld, Keuschheit, Gehor-
sam gegen die Obrigkeit usw., obwohl doch diese Tugenden folgen müssen), so emp-
fangen wir die Sündenvergebung auch nicht wegen der Liebe zu Gott, obwohl auch
sie notwendig folgen muß.
[Der Einwand Lk 7, 47: Rechtfertigende Liebe?]
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Im übrigen ist ja die Sprachgewohnheit [der Synekdoch
e
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] bekannt, [190] daß wir
bisweilen durch ein und dasselbe Wort Ursache und Wirkung bezeichnen. So sagt Chri-
stus Lk 7 (v. 47): „Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt.“
Christus legt sich hier nämlich selbst aus, indem er hinzufügt: „Dein Glaube hat dir
45 Vgl. oben Nr. 20; unten Nr. 66.
46 Redeweise, in der ein Teil für das Ganze steht oder umgekehrt.
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