Die Bekenntnisschriften - page 115

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
155
um ihrer selbst willen, sondern weil wir im Glauben Christus ergreifen [CR 458] und
wissen, daß wir einen gnädigen Gott haben, nicht um des Gesetzes, sondern um
Christi willen.
[Beginnende Erneuerung im bleibenden Widerstreit zur Sünde]
52
Fünftens. Wenn man meinen müßte, daß wir nach der Erneuerung notwendig ange-
nehm würden nicht durch den Glauben um Christi, sondern um unserer Gesetzeser-
füllung willen, würde das Gewissen niemals zur Ruhe kommen, sondern in die Ver-
zweiflung getrieben werden. Denn das Gesetz klagt immer an, weil wir dem Gesetz
niemals genügen. Das ist es, was auch die ganze Kirche bekennt. Denn Paulus
sagt: „Nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Böse, das ich nicht will“
(Röm 7, 19). Ebenso: „Mit dem Gemüt diene ich dem Gesetz Gottes, aber mit dem
Fleisch dem Gesetz der Sünde“ (Röm 7, 25). Denn wer liebt oder fürchtet Gott ge-
nug? Wer erträgt geduldig genug die von Gott auferlegten Anfechtungen? Wer be-
zweifelt nicht oft, ob die menschlichen Dinge durch Gottes Rat gelenkt werden? Wer
bezweifelt nicht oftmals, ob er von Gott erhört wird? Wen verdrießt es nicht öfters,
daß die Gottlosen mehr Glück haben als die Frommen, daß die Frommen von den
Gottlosen unterdrückt werden? Wer zürnt nicht dem Ratschluß Gottes, wenn er uns zu
verwerfen scheint? Wer tut seiner Berufung Genüge? Wer liebt seinen Nächsten wie
sich selbst? Wer wird nicht von der Begierde erregt? Über diese Sünden sagt der
Psalm: „Deshalb werden alle Heiligen zu dir beten“ (Ps 32, 6). Hier sagt er, daß die
Heiligen Sündenvergebung erbitten. Mehr als blind sind die, die nicht sehen wollen,
daß die bösen Regungen im Fleisch die Sünden sind, von denen Paulus spricht: „Das
Fleisch begehrt wider den Geist und der Geist wider das Fleisch“ (Gal 5, 17). Das
Fleisch mißtraut Gott und vertraut auf gegenwärtige Dinge, sucht im Unglück
menschliche Hilfen auch gegen Gottes Willen, flieht die Anfechtungen, die es nach
Gottes Willen ertragen sollte, zweifelt an Gottes Barmherzigkeit. Mit solchen Regun-
gen liegt der Heilige Geist in den Herzen im Streit, um sie zu unterdrücken und zu
töten, und pflanzt neue und geistliche Regungen ein. Auch Augustinus sagt: „Alle
Gebote Gottes werden erfüllt, wenn das, was nicht geschieht, verziehen wird.“
Er
fordert also Glauben auch bei den guten Werken, daß wir glauben, daß wir Gott um
Christi willen gefallen und daß die Werke, welche gefallen, dies nicht um ihrer selbst
willen tun. Und Hieronymus schreibt gegen die Pelagianer: „Wir sind also dann
gerecht, wenn wir uns als Sünder bekennen. Und unsere Gerechtigkeit besteht nicht
aus eigenem Verdienst, sondern aus Gottes Barmherzigkeit.
Also muß bei jener
angefangenen Gesetzeserfüllung der Glaube zugegen sein, der urteilt, daß wir um
Christi willen einen versöhnten Gott haben. Denn die Barmherzigkeit kann nur im
Glauben ergriffen werden. Daher ist es geradezu eine Lehre der Verzweiflung zu
lehren, daß wir nicht durch den Glauben um Christi willen angenommen sind, son-
dern wegen unserer eigenen Gesetzeserfüllung.
48 Augustinus, Widerrufe, Buch 1, Kap. 19, 3.
49 Hieronymus, Dialog gegen die Pelagianer, Buch 1, Kap. 13.
1...,105,106,107,108,109,110,111,112,113,114 116,117,118,119,120,121,122,123,124,125,...549
Powered by FlippingBook