Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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den Heiligen Geist nicht.
Doch folgt hieraus nicht, daß die Liebe rechtfertigt, d. h.,
[CR 484] daß wir um der Liebe willen die Sündenvergebung empfangen, daß die
Liebe die Schrecken des Todes und der Sünde überwindet, daß die Liebe dem Zorn
und Richtspruch Gottes entgegengesetzt werden muß, daß die Liebe dem Gesetz
Genüge tut und daß wir als Wiedergeborene um der Gesetzeserfüllung willen Gott
angenehm sind, nicht umsonst um Christi willen. All dies sagt Paulus nicht, was
unsere Gegner gleichwohl hinzufügen. Wenn wir schon durch unsere Liebe Gottes
Zorn überwinden, wenn wir durch unsere Liebe vor Gott Sündenvergebung ver-
dienen, wenn wir durch unsere Gesetzeserfüllung angenehm sind, dann sollen die
Gegner die Verheißung Christi aufheben, das Evangelium auslöschen, welches lehrt,
daß wir Zugang zu Gott haben durch den Versöhner Christus, welches lehrt, daß wir
nicht wegen unserer Gesetzeserfüllung, sondern um Christi willen angenommen sind.
[202] Die Gegner verderben die meisten Schriftworte, weil sie ihnen ihre eigenen
Deutungen unterschieben. Sie entnehmen [203] den Sinn nicht aus
den Schriften
selbst. [CR 485] Denn – was ist noch anstößig an diesem Wort, wenn wir erst einmal
die Deutung heruntergerissen haben, die ihm die Gegner anflicken, [Menschen,] die
nicht wissen, was Rechtfertigung ist und wie sie geschieht? – Die Korinther, nach-
dem sie
zuvor
gerechtfertigt waren, hatten eine Fülle ausgezeichneter Gaben empfan-
gen.
Und
am Anfang waren sie mit Eifer bei der Sache – wie das so ist. Dann kam es
zu Rivalitäten unter ihnen, wie Paulus berichtet; sie begannen, ihrer guten Lehrer
überdrüssig zu werden. Deshalb tadelt sie Paulus und ruft sie zu den Pflichten
der
Liebe zurück. Er spricht hier nicht über die Sündenvergebung, die Art der Rechtferti-
gung, sondern redet von den Früchten. Und unter Liebe versteht er die gegenüber
dem Nächsten. Es ist aber töricht, sich einzubilden, daß die Liebe, in der wir mit den
Menschen umgehen, vor Gott rechtfertigt. Denn bei der Rechtfertigung hat man es
mit Gott zu tun; sein Zorn muß besänftigt werden; das Gewissen muß Gott gegenüber
Frieden finden. Nichts davon geschieht durch jene Liebe, sondern nur dann, wenn die
Barmherzigkeit ergriffen wird. Und das geschieht durch den Glauben. Dies aber ist
wahr, daß nach dem Verlust der Liebe auch der Heilige Geist verloren geht, durch
dessen Verlust auch der Glaube herausgerissen wird. Deshalb sagt er: „Wenn ich die
Liebe nicht hätte, so wäre ich nichts“ (1. Kor 13, 2). Er setzt keine bejahende
Aussage hinzu, daß die Liebe rechtfertigt
.
Doch
reden sie davon
, daß die Liebe dem Glauben und der Hoffnung vorgezogen
werde. Paulus
sagt
nämlich: „Die
Liebe
ist die größte unter ihnen“ (1. Kor 13, 13).
Nun herrscht
aber
Übereinstimmung darüber, daß die größte und vorzüglichste Tu-
gend rechtfertigt. Indessen redet Paulus an dieser Stelle im besonderen von der
Nächstenliebe. Und er deutet an, sie sei die größte Liebe, weil sie die meisten Früchte
trägt. Glaube und Hoffnung aber haben es nur mit Gott zu tun. Doch hat die Liebe
nach außen den Menschen gegenüber unendliche Pflichten. Doch wollen wir den
Gegnern trotzdem zugestehen, daß die Liebe zu Gott und zum Nächsten die größte
Tugend ist, weil dies das höchste Gebot ist: „Du sollst Gott,
deinen
Herrn, lieben“
(Mk 12, 30)
usw.
Aber wie wollen sie hieraus schließen, daß die Liebe
rechtfertigt?
(Denn sie sagen: Die höchste Tugend rechtfertigt.)
Im Gegenteil! So wie
[…]
das