Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Zu Lk 6, 37: „Vergebet, so wird euch vergeben“]
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So ist auch zu urteilen über das Wort: „Vergebet, so wird euch vergeben“ (Lk 6, 37).
Es ist nämlich fast die gleiche Bußpredigt. Der erste Teil fordert gute Werke, der
zweite fügt die Verheißung hinzu. Man darf aber nicht folgern, daß unser Vergeben
uns durch seinen Vollzug die Vergebung der Sünden verdient. Denn dies sagt Chri-
stus nicht. Sondern: Wie Christus anderen Sakramenten die Verheißung der Sünden-
vergebung anhängt, so verbindet er sie auch mit den guten Werken. Und wie wir beim
Abendmahl die Vergebung der Sünden nicht ohne Glauben durch den bloßen Vollzug
erlangen, so auch nicht bei diesem Werk. Mehr noch! Unser Vergeben ist kein gutes
Werk, wenn es nicht von bereits Versöhnten geschieht. Daher folgt unser Vergeben
(das Gott sicherlich gefällt) [CR 518] dem Vergeben Gottes. Christus aber pflegt das
Gesetz und das Evangelium auf solche Weise zu verbinden, daß er beides überliefert,
die Lehre vom Glauben und die von den guten Werken, um daran zu erinnern, daß es
Heuchelei und ein bloßes Vortäuschen von Buße ist, wenn keine guten Früchte folgen.
Ferner, damit wir viele äußere Zeichen für das Evangelium und die Sündenvergebung
haben, die uns mahnen und trösten sollen, und damit wir den Glauben vielfältig üben
können. Daher müssen solche Stellen so verstanden werden, damit wir nicht das
Evangelium von Christus beseitigen und, nachdem wir zuvor Christus verworfen
haben, Gott unsere Werke als Sühne und Preis entgegenhalten. Auch damit die
Sündenvergebung nicht ungewiß wird, wenn man lehrt, sie hänge von der Bedingung
unserer Werke ab.
Man zitiert auch aus dem Buch Tobias (4, 11): „Almosen erlösen von allen Sünden,
auch vom Tode.“ Wir sagen nicht, daß das eine Übertreibung ist. Doch muß es so
verstanden werden, daß es dem Ruhme Christi nicht abträglich ist, dessen eigenste
Aufgaben es sind, von Sünde und Tod zu befreien. Aber man muß auf die Regel zu-
rückgreifen, daß das Gesetz ohne Christus nicht nützt. Daher gefallen Gott [nur] die
Almosen, die der Versöhnung folgen, nicht die, die ihr vorausgehen. Deshalb „erlö-
sen sie von Sünde und Tod“ nicht durch den bloßen Vollzug, sondern, wie wir kurz
zuvor von der Buße gesagt haben, daß wir den Glauben und die Früchte zusammen-
fassen müssen, so ist auch von den Almosen zu urteilen, daß Gott der Glaube zusam-
men mit den Früchten gefällt. Denn Tobias predigt nicht nur von Almosen, sondern
auch vom Glauben: „Preise Gott alle Zeit und bete, daß er dich leite“ (Tob 4, 20). Das
aber ist das Eigentliche jenes Glaubens, von dem wir sprechen: Er weiß, daß Gott
um seiner Barmherzigkeit willen gnädig ist, und er bittet, daß er uns bewahre und
lenke. Dazu räumen wir ein, daß Almosen viele Wohltaten Gottes verdienen, aber
nicht von bestehender Sünde befreien. Denn sie überwinden nicht Gottes Zorn und
Richtspruch, und sie geben den Gewissen auch keinen Frieden. Aber sie erlösen von
zukünftiger Sünde, d. h., sie verdienen es, daß wir in den Gefahren der Sünden und
des Todes bewahrt werden. Dies ist der schlichte Sinn, der mit der übrigen Schrift
übereinstimmt. So nämlich muß man das Lob der Werke und des Gesetzes verstehen,
damit es der Ehre Christi und des Evangeliums nicht abträglich ist.