Die Bekenntnisschriften - page 130

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Zu Lk 11, 41: Gebt Almosen, „dann ist euch alles rein“]
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Man bringt auch das Wort Christi bei Lukas vor: Gebt Almosen, „dann ist euch alles
rein“ (Lk 11, 41). Völlig taub sind die Gegner. So oft schon wurde gesagt, daß das
Gesetz nichts nützt ohne Christus, um dessentwillen gute Werke gefallen. Sie aber
schließen Christus aus und lehren überall, daß man die Rechtfertigung durch Werke
des Gesetzes verdient. Dabei zeigt doch diese Stelle, ganz zitiert, daß auch der Glau-
be gefordert wird. Denn Christus weist die Pharisäer zurecht, die meinen, vor Gott
gereinigt, d. h. durch häufige Waschungen gerechtfertigt zu werden. So sagt auch ein
Papst, ich weiß nicht, welcher, vom mit Salz versetzten Wasser, es heilige und reinige
das Volk. Und eine Glosse meint, es reinige von den läßlichen Sünden. Solcher Art
waren auch die Meinungen der Pharisäer, die Christus tadelt. Und dieser erdichteten
Reinigung stellt er eine doppelte Reinheit gegenüber, eine innere und eine äußere. Er
fordert, sie sollten innerlich rein werden, und fügt bezüglich der äußeren Reinheit
hinzu: „Gebt Almosen von dem, was übrig ist, dann ist euch alles rein“ (Lk 11, 41).
Die Gegner fassen hier das Wort „alles“ nicht richtig auf, denn Christus bezieht
diesen Schluß auf beide Teile: „Dann wird alles rein sein“, nämlich: Wenn ihr in-
nerlich rein sein werdet und äußerlich Almosen gegeben habt. Das bedeutet nämlich,
daß die äußere Reinheit in den von Gott gebotenen Werken bestehen soll, nicht in
menschlichen Gebräuchen, wie es damals jene Waschungen waren und es heute die
tägliche Besprengung mit Weihwasser, das Mönchsgewand, die Unterscheidung der
Speisen und dergleichen Gepränge sind. Aber die Gegner verhunzen den Satz, nach-
dem sie [zuvor] sophistisch die allumfassende Aussage nur auf einen Teil des Satzes
bezogen haben: „Alles wird rein sein, wenn ihr Almosen gegeben habt.“ Das ist, als
zöge jemand den Schluß: „Andreas ist hier, folglich sind alle Apostel hier.“ Im vor-
liegenden Satz müssen deshalb beide Satzteile miteinander verbunden werden:
„Glaubt und gebt Almosen, dann wird alles rein sein.“ Die Schrift sagt nämlich
andernorts, daß die Herzen durch den Glauben gereinigt werden. Wenn also die
Herzen gereinigt sind und dann auch äußerlich Almosen hinzukommen, d. h. Werke
der Liebe jeder Art, so werden sie ganz rein sein, nicht nur innerlich, sondern auch
äußerlich. Doch [CR 519] muß jene Predigt Christi hier als Ganzes herangezogen
werden, in der es viele Abschnitte gibt, von denen einige über den Glauben, andere
über die Werke unterrichten. Ein redlicher Leser darf aber nicht die Gebote über die
Werke herausgreifen und die Stellen über den Glauben weglassen.
Manche meinen, dieses „Gebt Almosen, dann ist euch alles rein“ sei eine ironische
Bemerkung. Denn Christus scheint hier eine Überzeugung der Pharisäer ins Lächer-
liche zu ziehen, die, obgleich ihre Herzen den schlimmsten Begierden verfallen wa-
ren, sich zugleich wegen der gegebenen Almosen für die reinen Halbgötter hielten.
Diese Deutung ist nicht abwegig und hat auch nichts, was mit anderen Schriftstellen
in Widerspruch steht.
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