Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Deshalb darf die Predigt Daniels nicht nur auf die Almosen hin mißdeutet werden,
sondern es ist auch der Glaube in ihr aufzusuchen. Die Predigt Daniels ist etwas
anderes als die Rede des Aristoteles, der, als er an seinen König schreibt, ihn auch
zur Wohltätigkeit ermahnt und ihn heißt, seine Macht zum öffentlichen Nutzen und
zum Wohle aller Völker, nicht dem Stolz zuliebe einzusetzen. Denn so schreibt er an
Alexander: „Deshalb versuche, die Macht nicht zur Hybris, sondern zur Wohltätig-
keit einzusetzen.
Diese Rede ist höchst ehrenhaft; es kann nichts Besseres über das
öffentliche Amt eines großen Herrschers gesagt werden. Doch belehrt Daniel seinen
König nicht nur über dessen Amt und Berufung, sondern [auch] über die Buße, die
Frömmigkeit gegenüber Gott, die Vergebung der Sünden und jene großen Dinge, die
außerhalb der Philosophie liegen. Deshalb soll man hier nicht nur die Almosen
suchen, sondern auch den Glauben. Auch zeigt dieser Text, daß der König bekehrt
worden ist, [und zwar] nicht allein dazu, reichlich Almosen zu geben, sondern
vielmehr zum Glauben. Es findet sich dort nämlich ein ungewöhnliches Bekenntnis
des Königs zum Gott Israels: „Es gibt keinen anderen Gott, der so retten kann“ (Dan
3, 29).
Deshalb gibt es zwei Teile in der Predigt Daniels: Der eine Teil ist die Predigt der
Buße, die die Sünden verurteilt und ein neues Leben fordert: „Kauf dich frei von
deinen Sünden durch Gerechtigkeit und von deinen Ungerechtigkeiten durch Wohlta-
ten gegen die Armen“ (Dan 4, 24). Denn so sagt es Daniel in seiner eigenen Sprache.
Da wird genügend klar, daß er nicht nur ein Gebot über Almosen unterrichtet, son-
dern über die ganze Gerechtigkeit (d. h. die Gotteserkenntnis und den Glauben). Er
sagt nämlich: „Kaufe dich von den Sünden durch die Gerechtigkeit frei.“ Gerechtig-
keit gegenüber Gott aber ist der Glaube, durch den wir glauben, daß Gott uns
verzeiht. Danach gibt Daniel Weisungen für Wohltaten gegenüber den Armen, d. h.,
daß er nicht überheblich und grausam herrschen, sondern für das Wohl der
Untertanen sorgen soll. Der andere Teil der Predigt verheißt Vergebung der Sünden:
Siehe, es wird [CR 517] Heilung für deine Verfehlungen geben.
Hieronymus hat hier gegen den Zusammenhang eine Wendung des Zweifels einge-
fügt.
Und in seinen Kommentaren behauptet er noch weit unkundiger, die Sünden-
vergebung sei ungewiß. Aber wir denken daran, daß das Evangelium mit Gewißheit
Sündenvergebung verheißt. Wer meint, die Sündenvergebung sei ungewiß, muß des-
halb als ein solcher gelten, der das Evangelium austilgt. Lassen wir also an dieser
Stelle Hieronymus beiseite. Weil aber deutlich eine Verheißung formuliert wird, ist
gewiß Glaube gefordert, weil die Verheißung nur durch den Glauben empfangen
werden kann. Freilich zeigt er auch da an, daß Vergebung geschehen kann, denn er
sagt: „Kaufe dich von den Sünden frei.“ Und diese Verheißung der Sündenverge-
bung ist wirklich das prophetische und evangelische Wort, von dem Daniel gewiß
wollte, daß es im Glauben empfangen wird. Denn Daniel wußte, daß die Sündenver-
gebung wegen des zukünftigen Samens, nämlich Christus, verheißen worden war, und
57 Zitat nicht nachweisbar.
58 Hieronymus († 420) übersetzt in seiner lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata, abweichend vom Urtext
Dan 4, 24: „Vielleicht wird er deine Sünden verzeihen.“