Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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keit), so wäre auch die Hoffnung, wenn sie sich auf unsere Werke gründete, ungewiß,
weil das Gesetz die Gewissen immer anklagt. Auch können die Gewissen nur dann
zum Frieden kommen, wenn sie durch den Glauben die Barmherzigkeit ergreifen.
Hoffnung auf das ewige Leben kann aber nur in einem befriedeten Gewissen beste-
hen. Denn ein zweifelndes Gewissen flieht vor Gottes Gericht und verzweifelt. Es muß
aber die Hoffnung auf das ewige Leben gewiß sein. Damit sie es ist, muß man
glauben, daß das ewige Leben aus Barmherzigkeit um Christi willen geschenkt wird,
nicht wegen unserer Gesetzeserfüllung. Vor Gericht und bei den Urteilen der
Menschen ist das Recht oder die Schuld gewiß, die Barmherzigkeit aber ungewiß.
Hier vor Gott ist es anders. Denn die Barmherzigkeit hat ein klares Gebot Gottes.
Denn das Evangelium selbst ist dieses Gebot, das uns [CR 521] glauben heißt, daß
Gott um Christi willen verzeihen und retten will, nach jenem Wort: „Gott hat seinen
Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch
ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet“ (Joh 3, 17 f.).
[Das Unterscheidende: allein der Glaube]
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Sooft man also von der Barmherzigkeit spricht, muß man wissen, daß der Glaube
gefordert wird. Und dieser Glaube macht den Unterschied aus zwischen den zu Ret-
tenden und den zu Verdammenden, zwischen Würdigen und Unwürdigen. Denn das
ewige Leben ist den Gerechtfertigten verheißen. Der Glaube aber rechtfertigt, wann
und zu welcher Zeit auch immer die Menschen ihn ergreifen. Und das ganze Leben
hindurch müssen wir kämpfen, um diesen Glauben zu erlangen und zu festigen. Denn
es gibt diesen Glauben, wie wir oben gesagt haben, in der Buße, [doch] nicht in de-
nen, die „nach dem Fleische wandeln“ (Röm 8, 4). Und er muß unter Gefahren [und]
Anfechtungen das ganze Leben hindurch wachsen. Und die diesen Glauben erlangt
haben, die sind wiedergeboren, um Gutes zu wirken, um das Gesetz zu erfüllen. Wie
wir also eine lebenslange Buße fordern, so fordern wir auch gute Werke, obgleich
unsere Werke nicht von solcher Art sind, daß für sie das ewige Leben geschuldet
würde. So hat es auch Christus im folgenden Wort gesagt: „Wenn ihr alles getan
habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte“ (Lk 17, 10). Und Bernhard sagt zu
Recht: „Du mußt zuerst glauben, daß du die Vergebung der Sünden nicht haben
kannst, es sei denn durch die Nachsicht Gottes. Sodann, daß du überhaupt kein gutes
Werk haben kannst, wenn er selbst dir nicht auch dies gäbe. Zuletzt, daß du das ewige
Leben durch keinerlei Werke verdienen kannst, wenn nicht auch dies umsonst
gegeben würde.“ Und kurz darauf [schreibt er]: „Deshalb möge sich niemand
verführen; denn wenn er nur gründlich nachdenken will, wird er ohne Zweifel
erkennen, daß er auch nicht mit Zehntausend dem begegnen kann, der mit
Zwanzigtausend zu ihm gekommen ist“ usw
Wir also rufen, damit die Gewissen
festen Trost und Hoffnung behalten, die Menschen zur Verheißung Christi zurück.
Und wir lehren, daß man glauben muß, daß Gott um Christi willen, nicht des
62 Bernhard von Clairvaux, Predigt zum Tag der Verkündigung der seligen Jungfrau Maria, Kap. 1, 2 (vgl. Lk 14, 31).