Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Gerecht um Christi willen auch nach begonnener Erneuerung]
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Man muß daher notwendig glauben, daß wir gewiß nach der Erneuerung gerecht
(d. h. Gott angenehm) sind, daß wir Frieden haben vor Gott durch die Barmherzig-
keit um Christi willen und daß jener Anfang des Gesetzes in uns nicht des ewigen
Lebens würdig ist, sondern ebenso wie die Sündenvergebung, so auch die Rechtferti-
gung aus Barmherzigkeit um Christi willen zugerechnet wird, nicht um des Gesetzes
willen. So wird auch das ewige Leben zusammen mit der Rechtfertigung nicht wegen
des Gesetzes und der Vollkommenheit unserer Werke angeboten, sondern aus Barm-
herzigkeit um Christi willen. Wie Christus spricht: „Das ist der Wille meines Vaters,
der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, das ewige Leben
habe“ (Joh 6, 40). Und an anderer Stelle: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das
ewige Leben“ (Joh 3, 36). Und wir fragen die Gegner, welchen Rat sie den Sterben-
den geben wollen, ob sie diese glauben heißen, daß sie für gerecht erklärt werden und
dem ewigen Leben entgegensehen wegen eigener Werke oder aber aus Barm-
herzigkeit um Christi willen. Gewiß sagen weder Paulus noch Laurentiu
, sie müß-
ten ihrer eigenen Reinheit wegen für gerecht erklärt werden, oder das ewige Leben
sei ihnen um ihrer eigenen Werke bzw. ihrer Erfüllung des Gesetzes willen geschul-
det. Sondern sie glauben, daß sie um Christi willen aus Barmherzigkeit für gerecht
erklärt werden und das ewige Leben empfangen. Auch können fromme Herzen nur
dann gegen Verzweiflung gewappnet sein, wenn sie glauben, daß sie aus Barmher-
zigkeit um Christi willen gewiß Gerechtigkeit und das ewige Leben haben, nicht um
des Gesetzes willen. Diese Lehre tröstet die frommen Herzen, richtet sie auf und ret-
tet sie. Deshalb [gilt]: Wenn die Gegner das „Verdienst aus Würdigkeit“ preisen,
tilgen sie die Lehre vom Glauben und vom Mittler Christus und treiben die Gewissen
in Verzweiflung.
[Begründen „Verdienste“ den Unterschied von Geretteten und Verlorenen?]
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Doch könnte jemand sagen: „Wenn wir aus Barmherzigkeit gerettet werden müssen –
wo liegt dann der Unterschied zwischen denen, die das Heil erlangen, und denjeni-
gen, denen es nicht zuteil wird? Sollen etwa die guten und die bösen Menschen in
gleicher Weise auf Barmherzigkeit hoffen?“ – Diese Überlegung scheint die Scho-
lastiker dazu bewogen zu haben, nach einem „Verdienst aus Würdigkeit“ zu fragen.
Denn es muß einen Unterschied geben zwischen den zu Rettenden und den zu Ver-
dammenden.
Zuerst aber sagen wir dies: Mit der Rechtfertigung wird das ewige Leben angeboten,
oder: Die Gerechtfertigten sind „Söhne Gottes und Miterben Christi“ (Röm 8, 17),
nach jenem Wort: „Die er gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht“ (Röm
8, 30). Also wird nur den Gerechtfertigten das Heil zuteil. Wie aber die Recht-
fertigung ungewiß wäre, wenn sie von der Bedingung unserer Werke oder des Geset-
zes abhinge (und nicht umsonst empfangen würde um Christi willen aus Barmherzig-
61 Römischer Diakon, der im Jahre 258 das Martyrium erlitt.