Die Bekenntnisschriften - page 135

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Gesetzes wegen die Sünden vergibt, rechtfertigt und das ewige Leben schenkt, nach
jenem Wort: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben“ (1. Joh 5, 12).
[Zur sophistischen Deutung von Lk 17, 10: auch der Glaube „unnütz“?]
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Doch ist es der Mühe wert zu hören, wie die Gegner ihr Spiel treiben mit dem Wort
Christi: „Wenn ihr alles getan habt, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte“ (Lk 17, 10)?
– In der Konfutation verhunzen sie [es] so: Zuerst machen sie einen Umkehrschluß.
Viel eher, behaupten sie, könne gesagt werden: „Wenn ihr alles geglaubt habt, so
sprecht: Wir sind unnütze Knechte.“ Dann fügen sie hinzu, daß Werke für Gott nutz-
los, für uns aber nicht nutzlos sind. – Seht nur, welche Freude dieser schülerhafte
Umgang mit der Sophistik unseren Gegnern macht! Und obwohl diese Albernheiten
es nicht verdienen, widerlegt zu werden, so wollen wir doch kurz auf sie antworten.
Der Umkehrschluß ist fehlerhaft, denn die Gegner täuschen sich im Blick auf das
Wort „Glauben“. Wenn es eine Kenntnis von Geschichte bezeichnete oder wenn wir
behaupteten, der Glaube würde wegen der eigenen Würdigkeit retten, dann würde die
Entsprechung gelten, daß wir erst recht unnütze Knechte sind, wenn wir geglaubt
haben. Doch wir reden vom Vertrauen auf Gottes Verheißung und Barmherzigkeit.
Und dieses Vertrauen bekennt, daß wir unnütze Knechte sind. Ja, gerade dies ist die
wahre Stimme des Glaubens, daß unsere Werke unwürdig und wir unnütze Knechte
sind. Und aus diesem einen Grunde sprechen wir vom Glauben und suchen die
Barmherzigkeit, weil wir erkennen, daß wir unnütze Knechte sind. Denn der Glaube
rettet deshalb, weil er die Barmherzigkeit oder die Verheißung der Gnade ergreift,
obwohl unsere Werke unwürdig sind. Und in diesem Sinne trifft uns der Umkehr-
schluß überhaupt nicht: „Wenn ihr alles geglaubt habt, so sprecht: Wir sind unnütze
Knechte.“ Man kann dies zu Recht sagen – wenn dabei nur gemeint ist, daß den Wer-
ken die Würdigkeit abgesprochen wird.
Doch wenn man den Satz dahingehend versteht, daß auch der Glaube nutzlos ist,
gilt die Entsprechung nicht: „Wenn ihr alles getan habt, so vertraut nicht auf Werke;
so auch: Wenn ihr alles geglaubt habt, vertraut nicht auf die Verheißung Gottes.“
Diese beiden Sätze hängen nicht zusammen; sie sind nämlich äußerst ungleich. Denn
die Ursachen und die Gegenstände der Verheißung im ersten und im zweiten Satz
sind unterschiedlich. Das Vertrauen im ersten ist das auf unsere Werke, das Vertrau-
en im zweiten das auf die göttliche Verheißung. Christus aber verdammt das Ver-
trauen auf unsere Werke, nicht das Vertrauen auf seine Verheißung. Er will nicht,
daß wir an der Gnade und der Barmherzigkeit Gottes verzweifeln. Er verurteilt unse-
re Werke als unwürdige, nicht die Verheißung, die umsonst die Barmherzigkeit an-
bietet. Und vortrefflich sagt hier Ambrosius: „Man muß die Gnade anerkennen, darf
aber die Natur nicht verkennen.
Der Verheißung der Gnade ist zu vertrauen, nicht
unserer Natur. Aber die Gegner verfahren nach ihrer Weise: Böswillig verdrehen sie
[CR 522] für den Glauben überlieferte Sätze gegen die Lehre vom Glauben. Denn
63 Ambrosius, Auslegung des Evangeliums nach Lukas, zu Lk 17, 8.
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