Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Zur scholastischen These: Glaube rechtfertigt nicht, da er dem Verstand, Gerech-
tigkeit aber dem Willen zugeordnet ist]
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Wir würden auch noch weitere Stellen hinzufügen, wenn wir nicht meinen würden,
daß aufgrund derer, die wir zitiert und erklärt haben, ähnliche leicht beurteilt wer-
den können. Aber hinzufügen wollen wir das folgende scholastische Argument:
„Gerechtigkeit muß im Willen liegen. Folglich gilt: Da der Glaube im Verstand liegt,
rechtfertigt er nicht.
Dieses Argument zitieren wir, um die ganze Sache klarer
werden zu lassen, wie der Glaube rechtfertigt und was Paulus „Rechtfertigung“
nennt. Zuerst aber werden wir einiger eigenwilliger Leute wegen nach den Regeln der
Kunst antworten. Aus der Ethik ist bekannt, daß Gerechtigkeit als Gehorsam gegen
einen Höheren, welchen dieser anerkennt, bezeichnet wird. Glaube aber ist
Gehorsam gegenüber dem Evangelium. Deshalb wird der Glaube mit Recht „Ge-
rechtigkeit“ genannt. Denn der Gehorsam gegenüber dem Evangelium wird als Ge-
rechtigkeit zugerechnet bis dahin, daß Gehorsam gegenüber dem Gesetz nur deswe-
gen gefällt, weil wir glauben, daß Gott uns umsonst gnädig ist um Christi willen.
Denn wir tun dem Gesetz nicht Genüge. Obwohl aber dieser Glaube im Willen liegt
(er ist nämlich ein Wollen und Annehmen der Verheißung), wird doch dieser Gehor-
sam gegenüber dem Evangelium nicht wegen unserer Reinheit als Gerechtigkeit zu-
gerechnet, sondern weil er die angebotene Barmherzigkeit annimmt und glaubt, daß
wir um Christi willen durch Barmherzigkeit für gerecht erklärt werden, nicht wegen
unserer Gesetzeserfüllung, nicht wegen unserer Reinheit. Deshalb muß der Geist vom
Blick auf das Gesetz weg zum Evangelium und zu Christus gerufen werden. Und es ist
festzuhalten, daß wir für gerecht erklärt werden, wenn wir glauben, daß wir um
Christi willen angenommen sind, nicht wegen der Liebe oder der Gesetzeserfüllung.
Der Glaube aber unterscheidet sich von der Hoffnung dadurch, daß der Glaube
[schon] gegenwärtig die Sündenvergebung und unsere Versöhnung oder Annahme
um Christi willen empfängt. Die Hoffnung aber kreist um zukünftige Güter und eine
zukünftige Befreiung.
Zweitens. „Rechtfertigung“ bedeutet hier: „für gerecht erklärt werden.“ Nicht aber
hält Gott den Menschen so für gerecht, wie ein Mensch vor Gericht oder in der
Philosophie als gerecht gilt wegen der Gerechtigkeit des eigenen Werkes, die zutref-
fend im Willen angesiedelt wird. Sondern er hält den Menschen für gerecht durch die
Barmherzigkeit um Christi willen, wenn jemand ihn im Glauben ergreift. Daher kann
der Glaube „Gerechtigkeit“ genannt werden, weil er das ist, was, mit Paulus zu re-
den, zur Gerechtigkeit gerechnet wird, in welchem Teil des Menschen man ihn am
Ende auch ansiedeln mag. Denn dies hemmt nicht die göttliche Zurechnung. Wiewohl
wir jedenfalls diesen Glauben im Willen ansiedeln. Denn er ist ein Wollen und An-
nehmen der Verheißung Christi. Und nach Behandlung dieses scholastischen Argu-
ments scheint, weil es die Sache auf die Methode zurückführt, die ganze Frage nun
besser durchschaubar zu sein.
59 Zitat unbekannter Herkunft.