Die Bekenntnisschriften - page 147

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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diese Gepflogenheiten nicht bestehen. Es gibt zu dieser Sache nämlich viele unge-
reimte Schriften der Summisten
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und anderer.
Aber wie Unterschiede in der Länge der Tage und Nächte die Einheit der Kirche
nicht in Frage stellen, so meinen wir, wird die wahre Einheit der Kirche auch durch
unterschiedliche, von Menschen eingeführte Riten nicht beeinträchtigt. Allerdings
gefällt es uns, wenn um des ruhigen Ganges der Dinge willen universale Riten beach-
tet werden. So halten auch wir in den Kirchen gern die Ordnung der Messe, den
Sonntag und andere bekannte Feiertage. Und mit größter Dankbarkeit greifen wir auf
die nützlichen und alten Ordnungen zurück, besonders wenn sie als eine Erziehung
wirken, die das Volk und die Unerfahrenen gewöhnen und belehren kann. Doch
streiten wir jetzt nicht darüber, ob es zuträglich ist, sie um des Friedens oder leibli-
chen Nutzens willen zu bewahren. Es geht um etwas anderes. Es steht nämlich zur
Debatte, ob die Gepflogenheiten menschlicher Überlieferungen zur Gerechtigkeit vor
Gott notwendige Gottesdienste sind. Das steht zur Entscheidung in diesem Streit. Und
nachdem das entschieden ist, kann später beurteilt werden, ob es zur wahren Einheit
der Kirche überall die gleichen menschlichen Überlieferungen geben muß. Wenn
nämlich menschliche Überlieferungen keine zur Gerechtigkeit vor Gott notwendigen
Kulthandlungen sind, so folgt daraus, daß Menschen auch dann gerecht und Söhne
Gottes sein können, wenn sie manche Überlieferungen nicht haben, die anderswo
gelten. Wenn z. B. die deutsche Kleiderordnung [CR 531] nicht ein zur Gerechtigkeit
vor Gott nötiger Kult ist, so folgt daraus, daß Menschen auch dann gerecht und Söhne
Gottes und Kirche Christi sein können, wenn sie sich nicht auf deutsche, sondern auf
französische Art kleiden.
[Paulus warnt vor „notwendigen“ Riten]
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Dies lehrt Paulus deutlich im Kolosserbrief, wenn er sagt: „So laßt euch nun von
niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen
eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats. Das alles ist nur ein Schatten
des Zukünftigen; leibhaftig aber ist es in Christus“ (Kol 2, 16 f.). Ebenso: „Wenn ihr
nun mit Christus den Mächtigen der Welt gestorben seid, was laßt ihr euch dann Sat-
zungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt: ‚Du sollst das nicht anfassen, du
sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren‘? Das alles soll doch verbraucht
und verzehrt werden. Es sind Gebote und Lehren von Menschen, die nur in ihrem
Aberglauben und ihrer Ohnmacht einen Anschein von Weisheit haben“ (Kol 2, 20–23).
Denn es steht fest: Wenn die Gerechtigkeit des Herzens etwas Geistliches ist, das die
Herzen lebendig macht, und wenn es klar ist, daß menschliche Überlieferungen die
Herzen nicht lebendig machen und auch keine Wirkungen des Heiligen Geistes sind
(wie das von der Nächstenliebe, der Keuschheit usw. gilt), und wenn sie auch keine
Werkzeuge sind, durch die Gott die Herzen zum Glauben bewegt (wie das Wort und
die von Gott eingesetzten Sakramente), sondern ein Gebrauch von Dingen, die nicht
74 Verfasser von Beichthandbüchern mit einer Fülle von Vorschriften.
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