Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Wort „Kirche“ bedeutet, nämlich: die „Versammlung der Heiligen“, die miteinander
Gemeinschaft haben an demselben Evangelium (d. h. der Lehre) und demselben
Heiligen Geist, der ihre Herzen erneuert, heiligt und lenkt.
Und dieser Artikel ist notwendigerweise herausgestellt worden. Wir sehen unendli-
che Gefahren, von denen der Untergang der Kirche droht. Unendlich ist auch die Zahl
der Gottlosen in der Kirche selbst, die sie unterdrücken. Damit wir nicht verzweifeln,
sondern wissen, daß die Kirche dennoch bleiben wird; ferner: damit wir wissen, daß
die Kirche, mag die Zahl der Gottlosen [in ihr] auch groß sein, dennoch fortbesteht
und Christus das tut, was er der Kirche verheißen hat, [nämlich] Sünden vergeben,
erhören, den Heiligen Geist geben – deshalb stellt uns jener Artikel im Glaubens-
bekenntnis diese Tröstungen vor Augen. Und er erwähnt die „allgemeine Kirche“,
damit wir nicht meinen, die Kirche sei ein äußerliches Gemeinwesen bestimmter
Völker, [236] sondern vielmehr: die über die ganze Welt verstreuten Menschen, die
im Evangelium übereinstimmen [und] denselben Christus haben, denselben Heiligen
Geist und dieselben Sakramente, ob sie nun dieselben menschlichen Überlieferungen
haben oder nicht. Und in den Dekreten sagt eine Glosse, die „Kirche“ im weiteren
Sinne umfasse gute und böse Menschen, ebenso, die bösen Menschen seien nur dem
Namen nach in der Kirche, nicht in Wirklichkeit, die guten Menschen aber in
Wirklichkeit und dem Namen nach. Und in diesem Sinne kann man vieles bei den
Vätern lesen. Denn Hieronymus sagt: „Wer also ein Sünder ist, mit irgendwelchem
Schmutz befleckt, kann nicht zur Kirche gezählt werden und nicht als Christus
untergeben gelten.“
[„Versammlung der Heiligen“: kein äußeres Gemeinwesen, sondern Gottes Volk im
Heiligen Geist]
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Obwohl also Heuchler und Böse den äußeren Gebräuchen nach Mitglieder der wah-
ren Kirche sind, so muß doch, wenn der Begriff „Kirche“ definiert werden soll,
diejenige Kirche definiert werden, die der lebendige Leib Christi und die dem Namen
und der Sache nach „Kirche“ ist. Dafür gibt es viele Gründe. Denn man muß wissen,
was uns vor allem zu Gliedern, und zwar zu lebendigen Gliedern der Kirche macht.
Wenn wir die Kirche nur als äußeres Gemeinwesen guter und schlechter Menschen
definieren, so werden die Leute nicht verstehen, daß das Reich Christi eine Gerech-
tigkeit des Herzens und ein Geschenk des Heiligen Geistes ist, sondern sie werden sie
nur für eine äußere Form von Gottesdiensten und Riten halten. Außerdem: Wo läge
der Unterschied zwischen dem Volk des Gesetzes und der Kirche, wenn die Kirche
ein äußeres Gemeinwesen wäre? Aber Paulus unterscheidet die Kirche in der Weise
vom Volk des Gesetzes, daß die Kirche das geistliche Volk ist, d. h. nicht durch
weltliche Riten von den Völkern unterschieden, sondern das wahre Volk Gottes,
wiedergeboren durch den Heiligen Geist. Im Volk des Gesetzes hatte abgesehen von
den Verheißungen über Christus auch die leibliche Nachkommenschaft Zusagen für
68 Pseudo-Hieronymus, [Kommentar] zum Brief an die Epheser, 5, 24.