Die Bekenntnisschriften - page 144

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[„Versammlung der Heiligen“: kein platonischer Staat, sondern „Säule der Wahr-
heit“ auf dem Grund Christus]
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Dennoch erträumen wir keinen platonischen Staa
t
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, wie manche gottlos spotten,
sondern sagen, daß diese Kirche besteht, nämlich in Gestalt der wirklich Glaubenden
und Gerechten, die über die ganze Welt verstreut sind. Und wir fügen Erkennungs-
zeichen hinzu: die reine Lehre des Evangeliums und die Sakramente. Und diese
Kirche ist im eigentlichen Sinne die „Säule der Wahrheit“ (1. Tim 3, 15). Sie bewahrt
nämlich das reine Evangelium und, wie Paulus es nennt, den „Grund“ (1. Kor 3, 12 f.),
d. h.: die wahre Erkenntnis Christi und den Glauben. Auch wenn unter diesen viele
Schwache sind, die [CR 528] auf diesem Grund mit vergänglichem Stroh bauen, d. h.
manche nutzlosen Behauptungen aufstellen, die ihnen dennoch, weil sie den Grund
nicht umstürzen, teils verziehen, teils auch gebessert werden. Und die Schriften der
heiligen Väter bezeugen, daß auch sie bisweilen mit Stroh auf diesem Grund gebaut
haben, was aber ihren Glauben nicht zusammenbrechen ließ. Doch das meiste von
dem, was unsere Gegner verteidigen, zerstört den Glauben, so etwa, daß sie den Arti-
kel von der Sündenvergebung verdammen, in dem wir zeigen, daß durch den Glauben
die Vergebung empfangen wird. So ist es auch ein offenkundiger und verderblicher
Irrtum, daß die Gegner lehren, die Menschen verdienten die Vergebung der Sünden
durch Liebe zu Gott [noch] vor der Gnade. Denn das heißt auch, das Fundament, d. h.
Christus zu beseitigen. Ebenso – was bedarf es des Glaubens, wenn die Sakramente
durch den bloßen Vollzug, ohne gute Regung bei dem, der sie empfängt, rechtferti-
gen? Doch wie die Kirche die Verheißung besitzt, daß sie alle Zeit den Heiligen Geist
haben wird, so hat sie auch Drohungen, daß gottlose Lehrer und Wölfe kommen
werden. Doch ist Kirche eigentlich die, die den Heiligen Geist hat. Auch wenn Wölfe
und böse Lehrer in der Kirche ihr Unwesen treiben, so sind sie doch nicht eigentlich
das Reich Christi. Wie es auch Lyra bezeugt, wenn er sagt: „Die Kirche besteht unter
den Menschen [239] nicht kraft einer Vollmacht oder einer kirchlichen oder
weltlichen Würdigkeit, denn viele Fürsten und höchste Geistliche, auch andere
niederen Ranges haben sich als solche erwiesen, die vom Glauben abgefallen waren.
Deshalb besteht die Kirche aus den Menschen, bei denen die wahre Erkenntnis sowie
das Bekenntnis des Glaubens und der Wahrheit sind.
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Was haben wir in unserem
Bekenntnis anderes gesagt als das, was Lyra hier sagt?
[Papstmonarchie – Gegensatz zur wahren Kirche]
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Aber vielleicht verlangen die Gegner, die Kirche so zu definieren, daß sie eine äußere
höchste Herrschaft über die ganze Welt sei, in der der römische Bischof eine unbe-
grenzte Macht haben muß, über die niemand disputieren oder richten darf: Glaubens-
artikel aufzustellen, die Schrift nach Belieben aufzuheben, Gottesdienste und Opfer
einzuführen, nach Belieben Gesetze zu erlassen, zu dispensieren und zu lösen, von
69 Utopischer Idealstaat im Sinne Platons († 347 v. Chr.).
70 Nikolaus von Lyra († 1349), Postille zum Matthäusevangelium 16, 10.
1...,134,135,136,137,138,139,140,141,142,143 145,146,147,148,149,150,151,152,153,154,...549
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