Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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welchen Gesetzen er will, göttlichen, kanonischen und weltlichen; so als empfingen
der Kaiser und alle Könige vom Papst die Macht und das Recht, Königreiche zu ha-
ben im Auftrag Christi, von dem man denken soll, er habe, nachdem ihm der Vater
alles unterworfen hatte, dieses Recht auf den Papst übertragen. Deshalb müsse der
Papst Herr des ganzen Erdkreises sein, aller Reiche der Welt, aller privaten und öf-
fentlichen Dinge; er müsse die Fülle der Macht in weltlichen und geistlichen Dingen
besitzen, über beide Schwerter verfügen, das geistliche und das weltliche. Aber diese
Definition (nicht der Kirche Christi, sondern des Papstreiches!) [240] geht nicht nur
auf die Kanonisten, sondern auch auf Dan 11 zurück (Dan 11, 36).
Würden wir die Kirche in dieser Weise definieren, so würden wir vielleicht wohl-
wollendere Richter finden. Denn es gibt viele Bücher, [CR 529] die maß- und gottlos
von der Macht des römischen Bischofs handeln. Ihretwegen ist [aber noch] nie je-
mand angeklagt worden. Wir allein werden geprügelt, weil wir die Wohltat Christi
predigen, daß wir durch den Glauben an Christus die Sündenvergebung erlangen,
nicht durch vom Papst ersonnene Kulte. Im übrigen definieren Christus, die Prophe-
ten und die Apostel die Kirche Christi ganz anders als das Papstreich. Auch darf das,
was sich auf die wahre Kirche bezieht, nicht auf die Päpste übertragen werden, daß
sie nämlich „Säulen der Wahrheit“ (1. Tim 3, 15) seien und nicht irren könnten. Denn
wer unter ihnen kümmert sich überhaupt um das Evangelium oder meint, es sei
lesenswert? Viele spotten auch öffentlich über alle Religion; oder, wenn sie etwas
gelten lassen, dann nur das, was mit der menschlichen Vernunft übereinstimmt; das
übrige halten sie für frei erfunden und den Tragödien der Dichter gleich.
[Gottlose in der Kirche als Spender der Sakramente]
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Daher meinen wir mit der Schrift, daß die Kirche im eigentlichen Sinne die
Versammlung der Heiligen ist, die wirklich dem Evangelium Christi glauben und den
Heiligen Geist haben. Und doch bekennen wir, daß viele Heuchler und böse Men-
schen, die ihnen in diesem Leben beigemischt sind, mit ihnen an den äußeren Zei-
chen teilhaben. Sie sind Glieder der Kirche in der Teilhabe an den äußeren Zeichen
und haben Ämter in der Kirche inne. Auch nimmt es den Sakramenten nicht die Kraft,
daß sie durch Unwürdige verwaltet werden. Denn aufgrund der Berufung der Kirche
repräsentieren sie die Person Christi, nicht aber ihre eigenen Personen, wie Christus
bezeugt: „Wer euch hört, hört mich“ (Lk 10, 16). Wenn sie das Wort Christi, wenn sie
seine Sakramente darbieten, tun sie dies im Auftrag und anstelle Christi. Das lehrt uns
jenes Wort Christi, damit wir nicht durch die Unwürdigkeit der Diener angefochten
werden.
[241] Doch haben wir hierzu in unserem Bekenntnis deutlich genug gesagt, daß wir
die Donatisten
und Wyclifiten
verurteilen, welche glaubten, daß die Menschen
sündigen, wenn sie die Sakramente in der Kirche von Unwürdigen empfangen. Dies
71 Nach ihrem wichtigsten Führer, dem nordafrikanischen Bischof Donatus († 355), benannte Schismatiker, die die
kirchlichen Handlungen unwürdiger Amtsträger für ungültig erklärten.
72 Anhänger des als Häretiker geltenden Oxforder Theologieprofessors John Wyclif († 1384).