Die Bekenntnisschriften - page 172

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Und es ist lächerlich, hier den Spruch Salomos anzuführen: „Achte sorgfältig auf
das Aussehen deiner Schafe“ (Spr 27, 23). Denn Salomo sagt nichts über die Beichte,
sondern überliefert eine Haushaltsregel für die Familienväter, das eigene Gut zu ge-
brauchen und sich von fremdem fernzuhalten, und veranlaßt ihn, sich sorgfältig um
die eigenen Angelegenheiten zu kümmern, dies aber so, daß das vom Wunsch nach
Mehrung des Vermögens besessene Herz nicht die Gottesfurcht, den Glauben und das
Achten auf Gottes Wort fahren läßt. Aber unsere Gegner formen durch eine wun-
dersame Verwandlung Schriftworte zu beliebigen Bedeutungen um. Hier heißt
„erkennen“ für sie: Beichte hören, „Aussehen“ meint nicht die äußere Erscheinung,
sondern Geheimnisse des Gewissens; „Schafe“ bezeichnen Menschen. Fürwahr, eine
schöne Deutung ist das und derer würdig, die die Sprachstudien verachten. Wollte
aber [wirklich] jemand gleichnishaft die Weisung vom Familienoberhaupt auf den
Gemeindehirten übertragen, so müßte gewiß „Aussehen“ auf äußeres Verhalten hin
gedeutet werden. Diese Analogie würde [dann] besser passen.
Doch lassen wir das. Manchmal wird in den Psalmen von der Beichte gesprochen,
etwa: „Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du
mir die Schuld meiner Sünde“ (Ps 32, 5). Ein solches Bekenntnis der Sünde, das vor
Gott geschieht, ist selbst die Reue. Denn wenn Gott gebeichtet wird, muß es im
Herzen geschehen, nicht nur mit der Stimme, wie es [274] Schauspieler auf der Büh-
ne tun. Die Reue ist also eine solche Beichte, in der wir, wenn wir den Zorn Gottes
spüren, bekennen, daß Gott mit Recht zürnt und nicht durch unsere Werke versöhnt
werden kann; und dennoch [CR 555] suchen wir Barmherzigkeit um der Verheißung
Gottes willen. Von solcher Art ist dieses Bekenntnis: „An dir allein habe ich gesün-
digt, auf daß du recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst, wenn du rich-
test“ (Ps 51, 6). Das heißt: Ich bekenne, daß ich ein Sünder bin und den ewigen Zorn
verdient habe; auch kann ich meine Gerechtigkeiten und Verdienste nicht deinem
Zorn entgegenhalten. Deshalb tue ich kund, daß du gerecht bist, wenn du uns
verdammst und bestrafst. Ich bekenne, daß du recht behältst, sooft die Heuchler über
dich urteilen, du seist ungerecht, der du sie bestrafst oder mit gutem Recht ver-
dammst. Fürwahr, unsere Verdienste können nicht deinem Richtspruch entgegenge-
halten werden. Sondern so werden wir gerechtfertigt werden: Wenn du rechtfertigst,
wenn du uns durch deine Barmherzigkeit für gerecht erklärst. – Vielleicht wird
jemand auch Jakobus zitieren: „Bekennt einander eure Sünden“ (Jak 5, 16). Aber hier
wird nicht von der Pflichtbeichte gegenüber den Priestern gesprochen, sondern all-
gemein von der Versöhnung der Brüder untereinander. Er will nämlich, daß die
Beichte eine wechselseitige ist.
Nun aber werden unsere Gegner viele höchst anerkannte Lehrer verdammen, wenn
sie behaupten, die Aufzählung der Verfehlungen in der Beichte sei nach göttlichem
Recht notwendig. Denn obwohl wir die Beichte bejahen und eine gewisse Prüfung für
nützlich halten, damit die Leute besser unterrichtet werden können, muß die Sache
doch so maßvoll gehandhabt werden, daß den Gewissen keine Fesseln angelegt
werden. Die Gewissen werden niemals ruhig sein, wenn sie annehmen müssen, sie
könnten Sündenvergebung nur dann erlangen, wenn sie jene genaue Aufzählung ge-
1...,162,163,164,165,166,167,168,169,170,171 173,174,175,176,177,178,179,180,181,182,...549
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