Die Bekenntnisschriften - page 182

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Zweitens sind die Heiligen dem Tod und anderen alle betreffenden Anfechtungen
ausgesetzt, wie Petrus schreibt: „Die Zeit ist da, daß das Gericht anfängt an dem
Hause Gottes“ (1. Petr 4, 17). Wenn aber zuerst bei uns – wie wird [dann erst] das
Ende derer sein, die nicht glauben? Und obwohl diese Anfechtungen meistens Stra-
fen für die Sünden sind, so haben sie doch bei den Frommen einen anderen Zweck.
Sie werden nämlich zur Tötung der gegenwärtigen Sünde auferlegt, weil sie in den
Heiligen die Begierde auslöschen und töten. Denn der Tod verbleibt deshalb bei den
Heiligen, um diese unreine Natur auszutilgen. Daher sagt Paulus: „Der Leib ist tot
um der Sünde willen“ (Röm 8, 10), d. h., er wird getötet wegen der gegenwärtigen
Sünde, die bis jetzt noch im Fleische geblieben ist. Das Kreuz ist also keine Strafe,
sondern eine Übung und eine Vorbereitung auf die Erneuerung. Denn wenn die ge-
genwärtige Sünde getötet wird und wir unter Anfechtungen lernen, die Hilfe Gottes zu
suchen, dann erfahren wir auch die Gegenwart Gottes, erkennen mehr und mehr den
Unglauben unserer Herzen und richten uns durch den Glauben auf. So wächst die
Neuheit des Geistes, wie Paulus sagt: „Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so
wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“ (2. Kor 4, 16). Ebenso sagt Jesaja:
„Die Bedrängnis, in der sie schreien, ist deine Züchtigung für sie“ (Jes 26, 16).
Außerdem ist der Tod dann wirklich eine Strafe, wenn das erschrockene Herz den
Zorn Gottes spürt, nach jenem Wort: „Der Stachel des Todes aber ist die Sün-
de“ (1. Kor 15, 56). Doch nachdem in den Heiligen durch den Glauben die Schrek-
ken der Sünde überwunden sind, ist der Tod ohne jenes Gefühl des Zornes Gottes
eigentlich keine Strafe [mehr]. Im übrigen können die Schlüssel diese Strafen weder
auferlegen noch erlassen. Daher haben Genugtuungen nichts mit diesen Strafen zu
tun. Denn die Schlüssel erlassen weder den Tod noch einen Teil der gewöhnlichen
Anfechtungen. Wenn sie aber schon diese Strafen durch Genugtuungen ausgleichen
wollen, weshalb lassen sie dann noch im Fegfeuer Genugtuung leisten?
[Biblische Beispiele: Anfechtungen müssen nicht „Strafen“ sein]
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[286] Sie halten uns [das Beispiel] von Adam vor, von David, der wegen des
Ehebruchs bestraft wurde. Aus diesen Beispielen leiten sie die allgemeine Regel ab,
daß den einzelnen Sünden besondere zeitliche Strafen entsprechen,
die durch die
Schlüsselgewalt aufzuerlegen sind
. Oben wurde gesagt: Die Heiligen ertragen die
Strafen, die Werke Gottes sind; sie ertragen Reue oder Schrecken, ertragen auch an-
dere gewöhnliche Anfechtungen. So ertragen einige des Beispiels wegen besondere
von Gott auferlegte Strafen. Und diese Strafen haben nichts mit den Schlüsseln zu
tun, denn die Schlüssel können sie weder auferlegen noch erlassen, sondern Gott ist
es, der sie ohne das Schlüsselamt auferlegt und erläßt.
Daraus folgt aber nicht die allgemeine Regel: „David wurde eine besondere Strafe
auferlegt; folglich gibt es außer den gewöhnlichen Anfechtungen eine andere Strafe
des Fegfeuers, bei der den einzelnen Sünden einzelne Stufen [der Strafe] entspre-
chen.“ Wo lehrt die Schrift dies, daß wir nur durch jenen Ausgleich bestimmter Stra-
fen (abgesehen von den allgemeinen Anfechtungen) vom ewigen Tod erlöst werden
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