Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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daß wir durch den Glauben Sündenvergebung erlangen um Christi willen, nicht we-
gen unserer vorausgehenden oder nachfolgenden Werke. Und wir haben deshalb be-
sonders über die Genugtuungen gesprochen, damit man sie nicht zur Verdunkelung
der Glaubensgerechtigkeit betreibt und die Leute nicht meinen, daß sie um dieser
Werke willen die Sündenvergebung erlangen. Und viele Sprüche, die in den Schulen
verbreitet werden, stützen diesen Irrtum. Von dieser Art ist das, was sie bei der De-
finition der Genugtuung anführen, „daß die Genugtuung zur Besänftigung des göttli-
chen Zornes geleistet werde
.
Aber dennoch gestehen die Gegner, daß Genugtuungen nicht zur Vergebung der
Schuld beitragen. Doch geben sie vor, daß sie zur Ablösung der Strafen, sei es des
Fegfeuers, sei es anderer, nützen. So nämlich lehren sie: Gott erlasse bei der Verge-
bung der Sünde die Schuld; dennoch werde, weil es der göttlichen Gerechtigkeit zu-
kommt, die Sünde zu strafen, die ewige in eine zeitliche Strafe umgewandelt. Weiter
fügen sie hinzu, ein Teil jener zeitlichen Strafe werde durch die Schlüsselgewalt ver-
geben, das übrige aber durch die Genugtuungen abgelöst. Doch ist nicht zu erkennen,
welcher Teil der Strafen durch die Schlüsselgewalt erlassen wird, außer daß sie sa-
gen, es werde ein Teil der Fegfeuerstrafen erlassen. Hieraus würde sich ergeben,
[CR 557] daß Genugtuungen nur die Strafen sind, die das Fegfeuer ablösen. Und sie
behaupten, diese Genugtuungen würden auch dann gelten, wenn sie von solchen, die
in eine Todsünde gefallen sind, erbracht werden. Als ob der göttliche Zorn von denen
besänftigt werden könnte, die sich im Zustand der Todsünde befinden!
Das alles ist frei erfunden, es ist erst neuerdings ausgeheckt worden ohne die Au-
torität der Schrift und der alten kirchlichen Schriftsteller. Und nicht einmal der Lom-
barde
spricht in dieser Weise über die Genugtuungen. Die Scholastiker haben ge-
sehen, daß es in der Kirche Genugtuungen gibt. Sie haben aber nicht bemerkt, daß
diese Veranstaltungen teils des Beispiels wegen, teils zur Prüfung derer, [277] die
wieder von der Kirche aufgenommen zu werden baten, eingeführt worden sind. Ins-
gesamt gilt: Sie haben nicht gesehen, daß es sich um eine äußere Ordnung und eine
ganz politische [weltliche] Sache handelt. Deshalb haben sie sich abergläubisch ein-
gebildet, Genugtuungen dienten nicht zur Kirchenzucht, sondern zur Versöhnung
Gottes. Und wie sie auch sonst oftmals Geistliches und Politisches unangemessen
vermischt haben, so ist dasselbe auch bei den Genugtuungen geschehen. Doch be-
zeugt an einigen Stellen die Glosse
des kanonischen Rechts, daß diese Auflagen
um der Kirchenzucht willen eingeführt wurden.
[Haarsträubender Schriftbeweis der Konfutation zugunsten von Genugtuungen]
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Seht aber, wie sie in der Konfutation, die sie der Kaiserlichen Majestät aufzudrängen
gewagt haben, diese ihre Erfindungen beweisen. Sie führen viele Worte aus der
Schrift an, um den Unkundigen vorzumachen, diese Sache, die selbst zur Zeit des
106 Gabriel Biel († 1495), Sammlung zu den vier Sentenzenbüchern, Buch 4, Distinktion 16, Frage 2, Art. 1.
107 Petrus Lombardus († 1160), theologische Autorität aufgrund seiner Sammlung von Kirchenvätersentenzen.
108 Glossa ordinaria, ein Kommentarwerk des 13. Jahrhunderts zum Decretum Gratiani.