Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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leistet hätten. Es ist mit Sicherheit völlig falsch, was die Gegner in der Konfutation
behauptet haben: daß die vollständige Beichte zum Heil notwendig sei. Sie ist näm-
lich unmöglich. Und welche Stricke werfen sie hier dem Gewissen über, wenn sie die
vollständige Beichte fordern! Denn wann soll das Gewissen feststellen, daß die
Beichte vollständig ist? Bei den kirchlichen Schriftstellern wird die Beichte erwähnt.
Aber sie sprechen nicht von dieser Aufzählung verborgener Verfehlungen, sondern
vom Brauch der öffentlichen Buße. [275] Denn weil die Gefallenen
oder Ehrlosen
nur aufgrund bestimmter Genugtuungen wieder aufgenommen wurden, deshalb leg-
ten sie vor den Priestern eine Beichte ab, damit ihnen, der Art ihrer Vergehen ent-
sprechend, Genugtuungen auferlegt würden. Das alles hatte nichts mit der Aufzäh-
lung zu tun, von der wir hier sprechen. Jene Beichte geschah nicht deshalb, weil ohne
sie die Sündenvergebung vor Gott nicht hätte erfolgen können, sondern deshalb, weil
keine Genugtuungen auferlegt werden konnten, wenn nicht zuvor die Art des Verge-
hens bekannt war. Denn für andere Verfehlungen gab es andere Bestimmungen.
[Altkirchlicher Sinn und illegitimer Gebrauch des Begriffs „Genugtuung“]
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Und von jenem Brauch der öffentlichen Buße her [CR 556] ist uns auch der Begriff
„Genugtuung“ erhalten geblieben. Denn die heiligen Väter wollten Gefallene oder
Ehrlose nicht wieder aufnehmen, ohne zuvor ihre Buße erkannt und beurteilt zu ha-
ben, soweit dies möglich war. Und hierfür scheint es viele Gründe gegeben zu haben.
Denn die Buße erstreckte sich zum Beispiel darauf, die Gefallenen zu prüfen, wie dies
auch eine Glosse in den Dekreten erwähnt. Auch war es unschicklich, ehrlose Leute
sofort [wieder] zum Abendmahl zuzulassen. Diese Gebräuche sind schon lange
veraltet. Und man muß sie auch nicht wieder neu beleben, weil sie zur Vergebung der
Sünden vor Gott nicht notwendig sind. Die Väter meinten auch nicht, daß die Men-
schen durch derartige Gebräuche oder Werke die Sündenvergebung verdienen. Den-
noch pflegen solche Vorgänge unerfahrene Menschen leicht zu täuschen, so daß sie
glauben, sie verdienten durch diese Werke die Sündenvergebung vor Gott. Doch
wenn einer so denkt, urteilt er auf jüdische oder heidnische Weise. Denn auch die
Heiden hatten bestimmte Formen der Sühne für Verfehlungen, durch die sie sich mit
Gott zu versöhnen meinten.
Heute aber ist von diesem alten Brauch noch das Wort „Genugtuung“ geblieben
und das Relikt, in der Beichte gewisse Genugtuungen aufzuerlegen, die sie als „un-
geschuldete Werke“ definieren. Wir bezeichnen sie als kirchenrechtlich vorge-
schriebene Genugtuungen. Über sie denken wir so wie über die Aufzählung, daß die
kirchenrechtlich vorgeschriebenen Genugtuungen nicht nach göttlichem Recht zur
Sündenvergebung notwendig sind. So wie auch jene alten Veranstaltungen von Ge-
nugtuungen bei der öffentlichen Buße nicht nach göttlichem Recht zur Sündenverge-
bung notwendig waren. Es muß nämlich der Glaubenssatz bestehen bleiben, [276]
105 In der Alten Kirche Bezeichnung für solche, die eine Todsünde (z. B. Verleugnung des Glaubens) begangen
hatten.