Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Absurde Konsequenzen der Umdeutung biblischer Bußworte auf Genugtuungen]
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Doch wollen wir wieder zum Thema zurückkehren. Die von den Gegnern zitierten
Schriftstellen sagen gar nichts über die kirchenrechtlich vorgeschriebenen Genugtu-
ungen und die Meinungen der Scholastiker, da diese bekanntlich erst in jüngster Zeit
aufgekommen sind.
Daher ist es reiner Betrug, weil sie die Schrift auf ihre eigenen
Meinungen hin verdrehen. Wir sagen: Der Buße, d. h. der Bekehrung oder Erneue-
rung, müssen das ganze Leben hindurch gute Früchte, gute Werke folgen. Und es
kann sich nicht um wahre Bekehrung oder wahre Reue handeln, [280] wenn nicht
Tötungen des Fleisches und gute Früchte folgen. Wahre Schrecken, wahre Schmer-
zen der Seele lassen es nicht zu, daß sich der Leib den Begierden hingibt, und wahrer
Glaube ist weder undankbar Gott gegenüber, noch verachtet er Gottes Gebote. Schließ-
lich: Es liegt keine innerliche Buße vor, wenn sie nicht auch nach außen Züchtigun-
gen des Fleisches hervorbringt. Und dies, so sagen wir, ist die Meinung Johannes [des
Täufers], wenn er ruft: „Bringt rechtschaffene Frucht der Buße“ (Mt 3, 8). Ebenso des
Paulus, wenn er sagt: „Gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtig-
keit“ (Röm 6, 19), wie er auch andernorts sagt: „Bringt eure Leiber dar als ein le-
bendiges, heiliges Opfer“ (Röm 12, 1) usw. Und wenn Christus spricht: „Tut Buße!“
(Mt 4, 17), redet er mit Sicherheit von der ganzen Buße, der völligen Neuheit des
Lebens und den Früchten. Er spricht nicht von jenen heuchlerischen Genugtuungen,
von denen die Scholastiker behaupten, [CR 560] daß sie auch dann zur Abgeltung der
Fegfeuerstrafe oder anderer Strafen taugen, wenn sie von solchen erbracht werden,
die sich im Stande der Todsünde befinden.
Noch viele Argumente lassen sich beibringen, daß diese Schriftworte sich keines-
wegs auf die scholastischen Genugtuungen beziehen. [1] Die Gegner behaupten, Ge-
nugtuungen seien ungeschuldete Werke, die Schrift aber fordert mit diesen Worten
„geschuldete Werke“. Denn dieses Christuswort, „Tut Buße!“, ist ein Wort des Gebo-
tes. [2] Ferner: Die Gegner schreiben, ein Beichtender sündige nicht, wenn er sich
weigere, Genugtuungen auf sich zu nehmen, sondern werde diese Strafen im Fegfeu-
er abbüßen müssen. Doch sind diese Worte unstrittig Gebote, die sich auf dieses Le-
ben beziehen: „Tut Buße!“, „Bringt Früchte, die des ewigen Lebens würdig sind!“,
„Bringt eure Glieder dar, um der Gerechtigkeit zu dienen!“. Deshalb können sie nicht
auf Genugtuungen hin verdreht werden, die man verweigern darf. Denn es ist nicht
erlaubt, Gebote Gottes zu verweigern. [3] Drittens: Die Ablässe erlassen jene Genug-
tuungen, wie das Kapitel „Über Buße und Vergebung“ [der Dekretalen] lehrt. Aber
Ablässe entbinden uns nicht von jenen Geboten („Tut Buße“, „Bringt Früchte, die der
Rechtfertigung würdig sind“). Daher ist offenkundig, daß jene Schriftworte auf die
kirchenrechtlichen Genugtuungen hin übel verdreht werden. Seht, was noch weiter
folgt: Wenn die Fegfeuerstrafen „Genug-Tuungen“ oder „Genug-Leiden“ sind oder
wenn Genugtuungen die Abgeltung der Fegfeuerstrafen sind – gebieten diese
[Schrift-]Worte dann etwa auch, daß die Seelen im Fegfeuer gezüchtigt werden? Da
dies notwendig aus den Meinungen der Gegner folgt, [281] werden diese Worte auf
112 Vgl. oben Nr. 109.