Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Lombarden noch unbekannt war, habe eine Autorität der Schrift für sich. Sie führen
diese Worte an: „Bringt rechtschaffene Frucht der Buße!“ (Mt 3, 8); ferner: „Gebt nun
eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit!“ (Röm 6, 19). Ferner, Christus
predigt die Buße: „Tut Buße!“ (Mk 1, 15). Ferner, Christus heißt die Apostel, Buße
zu predigen (Lk 24, 47); auch Petrus predigt die Buße (Apg 2, 38). Danach zitieren
sie bestimmte Worte der Väter und des Kirchenrechts und ziehen daraus
mit folgen-
den Worten
den Schluß: „Die Genugtuungen in der Kirche dürfen nicht gegen den
Wortlaut des Evangeliums und die Dekrete der Konzilien und Väter abgeschafft wer-
den. Vielmehr müssen diejenigen, die die Absolution empfangen haben, die ihnen
vom Priester auferlegte Buße leisten, indem sie dem Wort des Paulus folgen: ‚Er hat
sich selbst für uns gegeben, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte
sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken‘ (Tit 2, 14).
Gott verderbe diese gottlosen Sophisten, die das Wort Gottes so frevelhaft auf ihre
eitlen Träume hin verdrehen! Welchen guten Mann empört nicht solche Niederträch-
tigkeit! Christus spricht: „Tut Buße!“; die Apostel predigen Buße: Also werden die
ewigen Strafen
durch unsere Genugtuungen
abgegolten; also haben die Schlüssel den
Auftrag, einen Teil der Fegfeuerstrafen zu erlassen; [278] also kaufen Genugtuungen
von den Fegfeuerstrafen los. – Wer hat diese Esel solche Logik gelehrt? Doch ist das
weder Logik [CR 558] noch Sophistik, sondern Betrügerei! Das Wort „Tut Buße!“
führen sie deshalb an, damit Unkundige, wenn sie ein solches gegen uns zitiertes
Wort hören, den Eindruck gewinnen, wir schafften die ganze Buße ab. Durch solche
Kunstgriffe versuchen sie, [uns] die Herzen zu entfremden und Haß zu wecken, damit
Unkundige gegen uns ein Geschrei erheben, man solle so verruchte Ketzer, die die
Buße verwerfen, aus der Gemeinschaft ausstoßen.
[Dringender Appell an Campeggio, die Klärung entscheidender Fragen nicht weiter-
hin zu unterdrücken]
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Aber wir hoffen, daß diese Verdrehungen bei trefflichen Männern nichts ausrichten
werden. Auch wird Gott solche Schamlosigkeit und Bosheit nicht lange dulden. Und
der römische Bischof hat für sein Ansehen nur schlecht gesorgt, daß er solche Leute
als Verteidiger heranzieht [und] eine so hochbedeutsame Angelegenheit dem Urteil
dieser Sophisten überläßt. Denn da wir im Bekenntnis beinahe die gesamte christli-
che Lehre zusammengefaßt haben, hätte man solche Richter über so große, zahlreiche
und unterschiedliche Fragen heranziehen müssen, deren Lehre und
Glauben von
tüchtigen Männern anerkannt würde […].
Und du, Campeggio
, hättest deiner
Weisheit gemäß dafür sorgen sollen, daß diese Leute in so wichtigen Fragen nichts
schreiben, was entweder jetzt oder bei Späteren als etwas offenbar wird, das dem
Ansehen des römischen Stuhles schadet. Wenn der römische Stuhl es für richtig hält,
daß ihn alle Völker als Lehrer des Glaubens anerkennen, muß er Sorge dafür tragen,
109 Konfutation, zu Art. 12 der Augsburgischen Konfession.
110 Lorenzo Campeggio, päpstlicher Legat auf dem Augsburger Reichstag (1474–1539).