Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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daß gelehrte und untadelige Männer über die Glaubensfragen befinden. Denn zu wel-
chem Urteil wird die Welt gelangen, wenn die Schrift der Gegner irgendwann einmal
ans Licht gebracht wird?
Was wird die Nachwelt über diese verleumderischen
Urteile denken? – Du siehst, Campeggio, dies sind die letzten Zeiten, von denen
Christus vorhergesagt hat, sie würden sehr viel Gefahr für die Religion bringen. Da
hättet ihr, die ihr gleichsam auf höherer Warte sitzt und die Religionssachen lenken
müßt, zu diesen Zeiten sowohl besondere Klugheit als auch Sorgfalt walten lassen
müssen. Es gibt viele Anzeichen, die, wenn ihr nicht achtgebt, einen Umsturz der
römischen Machtstellung androhen. Und du irrst, [279] wenn du glaubst, die Kirchen
allein durch Gewalt und Waffen halten zu können. Die Menschen fordern Unterrich-
tung über die Religion. Wie viele Menschen, meinst du, gibt es nicht nur in
Deutschland, sondern auch in England, Spanien, Frankreich, Italien und schließlich in
der Stadt Rom selbst, die, weil sie sehen, daß über die größten Dinge Streit entstanden
ist, irgendwo zu zweifeln beginnen und schweigend unwillig sind, weil ihr euch
sträubt, diese ganz wichtigen Dinge angemessen zu prüfen und zu beurteilen; weil ihr
nicht den zweifelnden Gewissen Klarheit bringt und [statt dessen] nur fordert, daß wir
durch Waffen unterdrückt und vernichtet werden. Es gibt
aber viele treffliche
Männer, für die dieser Zweifel bitterer ist als der Tod,
die lieber den Tod und alle
Arten von Strafen ertrügen als diesen Zweifel.
[CR 559]
Auch
machst du dir
nicht
genügend klar, welch große Sache die Religion ist, wenn du es leicht nimmst, daß
sich gute Leute ängstigen, wenn sie an irgendeinem Lehrsatz zu zweifeln beginnen.
Und dieser Zweifel muß zu größter Bitterkeit des Hasses führen gegen diejenigen,
die, obwohl sie den Gewissen helfen sollten, sich dem widersetzen, daß die Sache
geklärt werden kann. Wir reden hier nicht von Gottes Gericht, vor dem ihr euch
fürchten müßtet. Denn das meinen die Päpste leicht nehmen zu können, da sie selbst
über die Schlüssel verfügen, sich also [selbst], wenn sie wollen, den Himmel öffnen
können. Von den Urteilen der Menschen sprechen wir hier und vom schweigenden
Willen aller Völker, die jetzt in der Tat verlangen, daß diese Dinge so geprüft und
zurecht gebracht werden, daß die guten Herzen geheilt und vom Zweifel befreit wer-
den. Denn was geschehen wird, wenn jener Haß gegen euch irgendwann einmal zum
Ausbruch kommen wird, kannst du in deiner Weisheit leicht ermessen. Durch diese
Wohltat aber, die alle vernünftigen Menschen für die höchste und größte halten,
könntet ihr alle Völker für euch gewinnen: Wenn ihr die zweifelnden Gewissen hei-
len würdet.
Das haben wir nicht deshalb gesagt, weil wir selbst an unserem Bekenntnis zwei-
feln würden. Wir wissen nämlich, daß es wahr, gottesfürchtig und für fromme Ge-
wissen nutzbringend ist. Aber es ist glaubhaft, daß es weit und breit viele Leute gibt,
die in wichtigen Fragen schwanken und doch keine geeigneten Lehrer hören, die
ihren Gewissen helfen könnten.
111 Trotz des Spottes der Evangelischen und des Drängens engagierter Altgläubiger wurde die Konfutation auch in
der Folgezeit geheimgehalten. Sie wurde erst 1559 gedruckt.