Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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sofern die Strafe [dabei] nur nicht als eine Bezahlung aufgefaßt wird, für die
die Vergebung geschuldet wird. Auch Augustinus spricht nicht von den Strafen, die
die Schlüssel erlassen, weshalb dieses Wort zu Unrecht auf Genugtuungen bezogen
wird. Er spricht von den echten Strafen, d. h. den Schrecken und wahren Schmerzen
der Seele, die es in der Buße gibt. Doch schließen wir auch die äußere Qual des Flei-
sches nicht aus; sie folgt nämlich noch obendrein den wahren Schmerzen der Seele.
Doch
irren die Gegner gründlich, wenn sie die kirchenrechtlichen Genugtuungen für
eine schlimmere Strafe halten als die wahren Schrecken im Herzen. Es ist sehr tö-
richt, den Begriff „Strafe“ für
diese
kalten Genugtuungen zu verwenden und ihn nicht
auf jene furchtbaren Schrecken des Gewissens zu beziehen, von denen David sagt:
„Es umfingen mich Todesschmerzen“ (Ps 18, 5). Wer wollte nicht lieber gepanzert
und gerüstet die Kirche des Jakobus
, den Petersdo
usw. aufsuchen, als jene
unaussprechliche Gewalt des Schmerzes zu ertragen, die man auch in alltäglichen
Situationen empfindet, wenn es sich um die wahre Buße handelt?
[Erlösung durch Christus allein. Art und Ziel erfahrbaren göttlichen „Strafens“ der
Sünde]
116
[285] [CR 564]
Doch sagen sie: „Es entspricht der Gerechtigkeit Gottes, die Sünde
zu bestrafen.“ Erstens: Dadurch, daß sie behaupten, es gehöre sich, die Sünde zu
bestrafen, zeigen sie hinlänglich, daß sie die Wohltat Christi verachten. Denn Gott
hat ein Lösegeld für unsere Sünden festgesetzt: Nicht unsere Strafen, nicht unsere
Genugtuungen, sondern den Tod seines Sohnes. Welche Torheit ist es doch, unsere
Genugtuungen der Genugtuung Christi vorzuziehen! Ferner: Wie sehr Gott auch
strafen mag – man muß doch glauben, daß die Sündenvergebung nicht jener Strafe
geschuldet wird, sowohl [CR 565] damit der Wohltat Christi kein Unrecht geschieht,
als auch weil das Gewissen keinen Frieden finden kann, wenn die Vergebung nicht
umsonst geschieht. Schließlich, wie sehr Gott auch strafen mag, so haben jene Stra-
fen doch nichts mit den Schlüsseln zu tun. Diese haben weder das Gebot, jene Strafen
(die Werke Gottes sind) aufzuerlegen, noch auch, sie zu vergeben.
Im übrigen räumen wir ein, daß Gott Sünden bestraft. Erstens in der Reue, wenn er
in jenen Schrecken seinen Zorn offenbart, wie David zeigt, wenn er betet: „Ach Herr,
strafe mich nicht in deinem Zorn“ (Ps 6, 2); und Jeremia: „Züchtige mich, Herr,
doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht ganz zunichte
machst“ (Jer 10, 24). Hier spricht er in der Tat von den schärfsten Strafen. Auch die
Gegner gestehen, daß die Reue so groß sein kann, daß keine Genugtuung [mehr]
gefordert wird. Wahrhaftiger also ist die Reue eine Strafe, als es kirchlich verordnete
Genugtuungen sind.
115 Duns Scotus, Sentenzenkommentar, Buch 4, Distinktion 14, Frage 1, Art. 3, 2: Lateinisches Wortspiel „poeni-
tentia“ = „poenae tenentia“.
116 St. Jakob von Compostella, der Sage nach Ort des Martyriums des Zebedaiden Jakobus, im Mittelalter das
beliebteste Wallfahrtsziel Europas.
117 St. Peter in Rom, nach alter Überlieferung der Begräbnisort des Apostels Petrus.