Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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selber richteten, [CR 567] würden wir nicht vom Herrn gerichtet“ (1. Kor 11, 31), so
muß das Wort „richten“ auf die ganze Buße und die geschuldeten Früchte, nicht auf
die „ungeschuldeten“ Werke bezogen werden. Unsere Gegner geben den Strafen eine
verächtliche Bedeutung, wenn sie meinen, „richten“ sei dasselbe wie „gepanzert zum
heiligen Jakobus wallfahren“ oder ähnliche Werke. „Richten“ bezeichnet die ganze
Buße; es heißt: „die Sünden verdammen“. Diese Verdammung geschieht wirklich in
der Reue und der Veränderung des Lebens. [288] Die ganze Buße, [d. h.] die Reue,
der Glaube und die guten Früchte erwirken es, daß die Strafen und daß öffentliches
und privates Unglück gemildert werden, wie Jesaja im ersten Kapitel lehrt: „Laßt ab
vom Bösen! Lernet Gutes tun“ usw. „Wenn eure Sünde auch blutrot wären, sollen sie
doch schneeweiß werden. Wenn ihr wollt und mir gehorcht, so sollt ihr des Landes
Güter genießen“ (Jes 1, 16–19). Dieses sehr wichtige und heilsame Wort von der
ganzen Buße und von den geschuldeten oder von Gott gebotenen Werken darf man
nicht auf Genugtuungen und Werke menschlicher Traditionen übertragen. Auch ist es
nützlich zu lehren, daß die allgemeinen Übel gemildert werden durch unsere Buße
und durch wahre Früchte der Buße, durch gute Werke, die aus Glauben getan sind
([und] nicht im Zustand der Todsünde, wie sie vorgeben). Und hierauf bezieht sich
auch das Beispiel der Leute von Ninive, die durch ihre Buße (wir sprechen von der
ganzen) mit Gott versöhnt wurden und es erreichten, daß ihre Stadt nicht zerstört
wurde (Jona 3, 10).
[Kirchenväter beschränken „Genugtuungen“ auf die öffentliche Buße]
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Daß aber die Kirchenväter die Genugtuung erwähnen, daß Konzilien Bestimmungen
darüber erließen, das war, wie wir oben
sagten, eine als Beispiel angeordnete
Maßnahme der Kirchenzucht. Sie meinten nicht, daß diese Ordnung zur Vergebung
der Schuld oder der Strafe notwendig sei. Denn wenn manche dabei das Fegfeuer
erwähnt haben, so deuten sie es nicht als Ausgleich für die ewige Strafe, nicht als
Genugtuung, sondern als Reinigung der unvollkommenen Seelen. So sagt Augusti-
nus, daß verzeihliche Sünden ausgebrannt würden,
d. h., daß Mißtrauen Gott ge-
genüber und andere ähnliche Regungen getötet würden. Manchmal übertragen die
Verfasser das Wort „Genugtuung“ vom Ritus oder der Veranstaltung selbst auf die zu
bezeichnende wahre Tötung. So sagt Augustinus: „Wahre Genugtuung heißt, die
Ursachen der Sünden zu beseitigen, d. h. das Fleisch zu töten, ebenso, es zu zähmen,
nicht um die ewigen Strafen abzugelten, sondern damit das Fleisch nicht zum Sündi-
gen verleitet.“
So sagt Gregor
über die Rückgabe [fremder Güter], daß es sich um eine falsche
Buße handelt, [289] wenn denen nicht Genüge geschieht, deren geraubte Güter wir
behalten. Denn der, der weiterhin stiehlt, bereut nicht wirklich, gestohlen oder ge-
119 Vgl. Nr. 109.
120 Augustinus, Vom Gottesstaat, Buch 21, Kap. 26, 4.
121 Gennadius von Massilia († um 492) [Augustin zugeschrieben], Von den kirchlichen Lehren, Kap. 24.
122 Papst Gregor I. der Große (590–604), zitiert im Decretum Gratiani.