Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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wir dann nicht auch das Gebet hinzu, das mit größerem Recht ein „Sakrament“ ge-
nannt werden kann? Es hat nämlich Gottes Gebot und sehr viele Verheißungen und
lädt, zu den Sakramenten gestellt, gleichsam an herausragender Stelle die Menschen
zum Glauben ein. Hier könnten auch die Almosen dazugezählt werden, ebenso An-
fechtungen, die selbst auch Zeichen sind, denen Gott Verheißungen beigegeben hat.
Aber lassen wir das. Denn kein verständiger Mann wird groß über die Zahl und das
Wort streiten, wenn man sich nur an jene Dinge hält, die Gottes Gebot und Verhei-
ßungen haben.
[Rechter Sakramentsgebrauch: der Glaube]
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Viel notwendiger aber ist es zu wissen, wie man das Sakrament gebrauchen soll.
[295] Hier verurteilen wir den ganzen Schwarm scholastischer Lehrer, die lehren,
daß die Sakramente dem, der ihnen keinen Widerstand entgegensetzt, durch den blo-
ßen Vollzug, ohne gute Regung des Empfangenden, die Gnade bringen. Das ist ein-
fach eine jüdische Meinung: Zu meinen, wir würden durch die Zeremonie gerecht-
fertigt, ohne gute Regung des Herzens, d. h. ohne Glauben. Und doch wird diese
gottlose und verderbliche Meinung mit großem Nachdruck im ganzen päpstlichen
Reich gelehrt. Paulus widerspricht dem und bestreitet, daß Abraham durch die Be-
schneidung gerechtfertigt worden sei (Röm 4, 9–12); vielmehr sei die Beschneidung
ein Zeichen, das zur Einübung des Glaubens eingesetzt wurde. So lehren wir, daß
beim Gebrauch der Sakramente der Glaube hinzukommen muß, der jenen Verhei-
ßungen glaubt und die verheißenen Dinge empfängt, die dort im [CR 572] Sakrament
angeboten werden. Und der Grund dafür ist einfach und völlig gewiß. Die Verhei-
ßung ist nutzlos, wenn sie nicht im Glauben empfangen wird. Die Sakramente aber
sind Zeichen von Verheißungen. Bei ihrem Gebrauch muß deshalb der Glaube hinzu-
kommen, damit einer, der das Abendmahl empfängt, es so empfängt: Weil dies das
Sakrament „des Neuen Testamentes“ ist, wie Christus deutlich sagt (Lk 22, 20), des-
halb urteilt er, daß ihm die im Neuen Testament verheißenen Güter angeboten wer-
den, nämlich die geschenkte Vergebung der Sünden. Und dieses Gut soll er durch den
Glauben ergreifen, das furchtsame Gewissen aufrichten und glauben, daß diese
Zeugnisse nicht trügerisch sind, sondern so zuverlässig, als wenn Gott durch ein neu-
es Wunder vom Himmel her verhieße, daß er verzeihen will. Was aber würden jene
Wunder und Verheißungen einem Menschen nützen, der nicht glaubt? Und wir spre-
chen hier von dem besonderen Glauben, der der gegenwärtigen Verheißung vertraut,
der nicht nur allgemein glaubt, daß es einen Gott gibt, sondern glaubt, daß [hier] die
Vergebung der Sünden angeboten wird. Dieser Sakramentsgebrauch tröstet die
frommen und furchtsamen Gewissen.
Wieviel Mißbräuche aber jene schwärmerische Meinung vom bloßen Vollzug ohne
gute Regung des Empfangenden in der Kirche hervorgerufen hat, kann niemand in
Worte fassen. Hierher rührt jene grenzenlose Entweihung der Messen; doch sprechen
wir hiervon weiter unten. Auch kann kein Buchstabe aus den alten Schriftstellern
vorgebracht werden, der den Scholastikern in dieser Sache Schutz bieten könnte.