Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Das Priesteramt verstehen die Gegner nicht vom Dienst des Wortes und der an an-
dere auszuteilenden Sakramente her, sondern sie verstehen es vom Opfer her, so als
müsse es im Neuen Testament ein Priestertum gleich dem levitischen geben, das für
das Volk opfert und für andere die Sündenvergebung verdient. Wir lehren, daß das
Opfer des am Kreuz sterbenden Christus für die Sünden der ganzen Welt Genüge
getan hat, und daß es außer diesem keiner weiteren Opfer bedarf, so als wäre jenes
nicht ausreichend gewesen für unsere Sünden. Deshalb werden die Menschen nicht
wegen irgendwelcher sonstiger Opfer gerechtfertigt, sondern um jenes einen Opfers
Christi willen, wenn sie glauben, daß sie durch jenes Opfer erlöst sind. Daher werden
die Priester nicht zu irgendwelchen Opfern berufen, die sie wie im Gesetz für das
Volk vollziehen sollen, um durch sie dem Volk Sündenvergebung zu verdienen, son-
dern sie werden berufen, um das Evangelium zu lehren und dem Volk die Sakramente
auszuteilen. Auch haben wir kein anderes Priestertum ähnlich dem levitischen, wie es
der Hebräerbrief deutlich genug lehrt (Hebr 7, 1 ff.).
Wenn aber die Priesterweihe vom Dienst des Wortes her verstanden würde, dann
würden wir sie ohne große Umstände ein Sakrament nennen. Denn der Dienst am
Wort hat ein Gebot Gottes und großartige Verheißungen, Röm 1 (v. 16): „Das Evange-
lium ist eine Kraft Gottes zum Heil für einen jeden, der glaubt.“ Ebenso Jes 55 (v. 11):
„Das Wort, [CR 571] das aus meinem Munde ausgeht, wird nicht leer zu mir zurück-
kehren, sondern es wird tun, was ich gewollt habe“ usw. [294] Wenn die Priesterwei-
he in dieser Weise verstanden wird, weigern wir uns auch nicht, die Handauflegung
als ein Sakrament zu bezeichnen. Denn die Kirche hat das Gebot Gottes, Diener ein-
zusetzen, für das wir sehr dankbar sein müssen, weil wir wissen, daß Gott jenen
Dienst gutheißt und in ihm gegenwärtig ist. Und es ist gut, den Dienst am Wort soviel
wie möglich und auf jede Art mit Lob zu schmücken gegenüber den Schwärmern, die
träumen, der Heilige Geist werde nicht durch das Wort gegeben, sondern wegen ihrer
eigenen Vorbereitungen, wenn sie müßig, schweigend, an dunklen Orten sitzen und
auf eine Erleuchtung warten, wie es einst die Enthusiasten
lehrten und es jetzt die
Täufer tun.
Die Ehe wurde nicht erst im Neuen Testament eingesetzt, sondern gleich zu Beginn
nach Erschaffung des Menschengeschlechts. Sie hat aber ein Gebot Gottes und hat
Verheißungen, die sich freilich nicht eigentlich auf das Neue Testament, sondern
mehr auf das leibliche Leben beziehen. Wenn sie daher jemand ein Sakrament nen-
nen will, muß er sie doch von jenen früher genannten unterscheiden, die im eigentli-
chen Sinne Zeichen des Neuen Testamentes und Zeugnisse der Gnade und der Sün-
denvergebung sind. Wenn aber die Ehe deshalb die Bezeichnung „Sakrament“ tragen
soll, weil sie ein Gebot Gottes hat, dann könnten auch andere Stände oder Berufe, die
ein Gebot Gottes haben, wie die Obrigkeit, „Sakramente“ genannt werden.
Schließlich: Wenn all die Dinge, die ein Gebot Gottes haben und denen Verhei-
ßungen beigegeben sind, zu den Sakramenten gezählt werden sollen, warum fügen
129 Gemeint sind die Hesychiasten oder „Nabelseelen“ der mittelalterlichen griechischen Kirche. Sie glaubten, durch
mystische Versenkung das Taborlicht schauen zu können.