Die Bekenntnisschriften - page 192

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Was diesen Punkt betrifft, gibt es keinen Unterschied zwischen unseren Überliefe-
rungen und den mosaischen Zeremonien. Wie Paulus die mosaischen Zeremonien
verdammt, so verdammt er auch [solche] Überlieferungen, [299] weil man sie für
Werke hielt, die die Gerechtigkeit vor Gott verdienen. So wurde das Amt Christi und
die Glaubensgerechtigkeit verfinstert. Unter Beiseitestellung des Gesetzes und der
Überlieferungen tritt er deshalb dafür ein, daß die Sündenvergebung nicht wegen
derartiger Werke, sondern um Christi willen umsonst verheißen wurde, damit wir sie
nur durch den Glauben empfangen. Denn die Verheißung wird nicht ergriffen außer
durch den Glauben. Da wir also durch den Glauben die Sündenvergebung empfan-
gen, da wir durch den Glauben um Christi willen einen gnädigen Gott haben, ist es
ein Irrtum und eine Gottlosigkeit zu behaupten, daß wir durch diese Auflagen die
Sündenvergebung verdienen. Würde hier jemand sagen, wir verdienten nicht die
Sündenvergebung, sondern als bereits Gerechtfertigte verdienten wir durch diese
Überlieferungen die Gnade, so widerspricht Paulus hier abermals: Christus würde
„ein Diener der Sünde“ (Gal 2, 17) sein, wenn man nach der Rechtfertigung meinen
müßte, wir würden hernach nicht um Christi willen als gerecht gelten, sondern müß-
ten es erst durch andere Auflagen verdienen, für gerecht erklärt zu werden. Ferner:
„Dem Testament eines Menschen darf nichts hinzugefügt werden“ (Gal 3, 15). Folg-
lich darf auch dem Testament Gottes, der verspricht, daß er uns um Christi willen
gnädig sein will, nicht hinzugefügt werden, daß wir es zuerst durch diese Auflagen
verdienen müssen, für angenehm und gerecht erklärt zu werden.
Indessen, was bedarf es einer langen Erörterung? Keine Satzung ist von den heili-
gen Vätern in der Absicht eingeführt worden, die Sündenvergebung oder die Gerech-
tigkeit zu verdienen, sondern sie wurden einer guten Ordnung und des Friedens we-
gen in der Kirche eingeführt. Und würde jemand bestimmte Werke zum Verdienen
der Sündenvergebung oder Gerechtigkeit einführen wollen – wie soll er wissen, daß
jene Werke Gott gefallen, da er hierfür kein Zeugnis des Wortes Gottes hat? Wie
kann er den Menschen Gewißheit über den Willen Gottes vermitteln ohne ein Gebot
und Wort [CR 575] Gottes? Verbietet Gott denn nicht überall bei den Propheten, ohne
sein Gebot besondere Formen des Gottesdienstes einzuführen? Hes 20 (v. 18 f.) steht
geschrieben: „Ihr sollt nicht nach den Geboten eurer Väter leben und ihre Gesetze
nicht halten und mit ihren Götzen euch nicht unrein machen. Ich bin der Herr, euer
Gott. Nach meinen Geboten sollt ihr leben, und meine Gesetze sollt ihr halten und
danach tun.“
Wenn es den Menschen erlaubt ist, Kulte einzuführen, und sie durch diese Kulte
Gnade verdienen, dann müssen bereits die Gottesdienste aller Heiden anerkannt wer-
den, die von Jerobeam und anderen außerhalb des Gesetzes eingeführten Gottesdien-
ste gutgeheißen werden. [300] Denn was macht den Unterschied: War es uns erlaubt,
Kulte einzuführen, die zum Verdienen von Gnade und Gerechtigkeit dienen, warum
war dasselbe dann nicht auch den Heiden und den Israeliten erlaubt? Die Gottes-
dienste der Heiden und Israeliten wurden deshalb verworfen, weil sie meinten, sie
würden durch sie Sündenvergebung und Gerechtigkeit verdienen, und die Glaubens-
gerechtigkeit nicht kannten. Schließlich: Woher werden wir gewiß, daß von Men-
1...,182,183,184,185,186,187,188,189,190,191 193,194,195,196,197,198,199,200,201,202,...549
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