Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Daß aber die ewigen Strafen nicht erlassen würden außer aufgrund des Ausgleichs
nach bestimmten Überlieferungen oder wegen des Fegfeuers, lehrt die Schrift nicht.
[Begrenzte kirchenrechtliche Bedeutung von „Ablaß“ und „vorbehaltenen Fällen“]
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Die „Ablässe“ waren ursprünglich der Erlaß jener öffentlichen Auflagen, damit die
Leute nicht zu sehr beschwert würden. Wenn aber kraft menschlicher Autorität Ge-
nugtuungen und Strafen erlassen werden können, dann ist also jener Ausgleich nach
göttlichem Recht nicht erforderlich; denn das göttliche Recht wird nicht durch
menschliche Autorität aufgehoben. Ferner gilt: Wenn der Brauch an sich veraltet ist
(oder zumindest von den Bischöfen nicht mehr beachtet wird), [CR 569] dann bedarf
es jener Nachlassungen nicht mehr. Und doch ist der Begriff „Ablässe“ erhalten ge-
blieben. Und wie die „Genugtuungen“ nicht [mehr] von der öffentlichen Ordnung her
verstanden wurden, sondern als Ausgleich für die Strafe, so wurden die „Ablässe“
dahingehend mißverstanden, daß sie die Seelen aus dem Fegfeuer erlösen würden.
Doch hat der Schlüssel nur auf Erden die Macht zu binden oder zu lösen, nach jenem
Wort: „Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein,
und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16, 19).
Jedoch hat der Schlüssel, wie wir oben gesagt haben, nicht die Macht, Strafen aufzu-
erlegen oder Kulte einzuführen, sondern nur den Auftrag, denen die Sünden zu ver-
geben, die sich bekehren, [291] und diejenigen anzuklagen und auszuschließen, die
sich nicht bekehren wollen. Wie nämlich „lösen“ bedeutet, die Sünden zu vergeben,
so bedeutet „binden“, die Sünden nicht zu vergeben. Denn Christus spricht von dem
geistlichen Reich. Und es ist das Gebot Gottes, daß die Diener des Evangeliums die-
jenigen lossprechen sollen, die sich bekehren, nach jenem Wort: „Die Vollmacht ist
uns zum Erbauen gegeben“ (2. Kor 10, 8). Darum ist der Vorbehalt von Fällen
eine
weltliche Sache. Denn es ist ein Vorbehalt der kirchenrechtlichen Strafe, nicht ein
Vorbehalt der Schuld gegen Gott bei denen, die sich wirklich bekehren. Deshalb
urteilen die Gegner korrekt, wenn sie sagen, daß bei Lebensgefahr jener Vorbehalt
von Fällen die Absolution nicht verhindern darf.
[Schluß: Erst die evangelische Lehre bringt Klarheit über die Buße]
Wir haben den Inbegriff unserer Bußlehre dargelegt, von der wir mit Sicherheit wis-
sen, daß sie gottgefällig und für fromme Herzen heilsam ist. Und tüchtige Männer
werden, wenn sie unsere Lehre mit den höchst verworrenen Erörterungen der Gegner
verglichen haben, erkennen, daß die Gegner die Lehre vom rechtfertigenden und
fromme Herzen tröstenden Glauben übergangen haben. Sie werden auch sehen, daß
die Gegner vieles erfinden (vom „Verdienst der Anfangsreue“, von jener endlosen
Aufzählung der Verfehlungen, von Genugtuungen), „Dinge, die weder Himmel noch
Erde betreffen“
, die auch die Gegner selbst nicht hinreichend erklären können.
125 Dem Papst vorbehaltene Fälle für die Erteilung von Absolution.
126 Griechische Redewendung.