Die Bekenntnisschriften - page 183

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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können? [CR 566] Im Gegenteil aber lehrt sie sehr oft, daß die Vergebung der Sün-
den umsonst um Christi willen geschieht, daß Christus der Bezwinger der Sünde und
des Todes ist! Deshalb darf man hier kein Verdienst der Genugtuung anflicken. Und
obwohl Anfechtungen bleiben, deutet die Schrift sie doch so, daß sie Tötungen der
gegenwärtigen Sünde sind, nicht Ausgleichsleistungen für den ewigen Tod oder Lö-
segelder für den ewigen Tod.
Hiob wird entschuldigt: Nicht wegen vergangener Übeltaten sei er angefochten
worden (Hi 2, 3.10). Daher sind Anfechtungen nicht immer Strafen oder Zeichen des
Zornes. Vielmehr müssen ängstliche Gewissen darüber belehrt werden, daß es ande-
re, wichtigere Gründe für Anfechtungen gibt, damit sie nicht meinen, sie würden von
Gott verworfen, wenn sie in den Anfechtungen nur Strafe und Gottes Zorn erblicken.
Andere, wichtigere Gründe sind [hier] zu bedenken: Daß Gott ein fremdes Werk tut,
um sein [eigentliches] Werk tun zu können usw., wie in einer langen Predigt Jesaja
Kap. 28 lehrt (Jes 28, 21). Und als die Jünger Joh 9 hinsichtlich des Blinden fragen,
wer gesündigt habe, antwortet Christus, der Grund der Blindheit sei nicht Sünde, son-
dern „daß die Werke Gottes an ihm offenbart würden“ (Joh 9, 2 f.). Und bei Jeremia
heißt es: „Denen nicht das Urteil galt, die müssen [den Kelch] trinken“ (Jer 49, 12). Wie
auch die Propheten getötet wurden, Johannes der Täufer und andere Heilige. [287]
Deshalb sind Anfechtungen nicht immer Strafen für bestimmte vergangene Taten,
sondern sie sind Werke Gottes, bestimmt zu unserem Nutzen und damit Gottes Kraft
in unserer Schwachheit deutlicher sichtbar wird.
So sagt Paulus: „Gottes Kraft wird in meiner Schwachheit vollendet“ (2. Kor 12, 5.9).
Deshalb sollen unsere Leiber nach Gottes Willen Opfer sein, damit unser Gehorsam
gezeigt werde, nicht damit der ewige Tod abgegolten wird, für den Gott ein anderes
Lösegeld hat, nämlich den Tod seines Sohnes. Und in diesem Sinne deutet auch Gre-
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die Strafe Davids, wenn er sagt: „Wenn Gott [ihm] um jener Sünde willen ge-
droht hätte, ihn so durch seinen Sohn zu demütigen, warum hat er dann das, was ihm
angedroht war, nach der Vergebung der Sünde geschehen lassen? Es ist zu antworten:
Jene Vergebung der Sünde ist erfolgt, damit der Mensch nicht gehindert werde, das
ewige Leben zu empfangen. Jene im Beispiel angedrohte Bestrafung ist aber deshalb
erfolgt, damit auch in jener Erniedrigung die Frömmigkeit des Menschen geübt und
erprobt werde. So hat Gott auch den Tod des Leibes dem Menschen um der Sünde
willen auferlegt und nach der Vergebung der Sünden um der Übung der Gerechtig-
keit willen nicht genommen, damit nämlich die Gerechtigkeit derer, die geheiligt
werden, geübt und erprobt werde.“
Im übrigen wird aber auch gewöhnliches Unglück nicht durch die Werke der kirch-
lich verordneten Genugtuungen (d. h. jene Werke menschlicher Traditionen) aufge-
hoben, von denen sie selbst doch behaupten, sie seien durch den bloßen Vollzug
wirksam, so daß sie sogar, wenn sie im Zustand der Todsünde geschähen, die Strafen
abgelten sollen. Und wenn dazu das Pauluswort vorgebracht wird: „Wenn wir uns
118 Augustinus, Von den Vergeltungen und der Vergebung der Sünden, Buch 2, Kap. 34, 56. Aufgrund einer
Verwechslung schrieb Melanchthon das folgende Zitat Papst Gregor I. zu.
1...,173,174,175,176,177,178,179,180,181,182 184,185,186,187,188,189,190,191,192,193,...549
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