Die Bekenntnisschriften - page 198

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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Kreuz und Anfechtungen geschieht, durch die Gott uns erprobt. In ihnen muß man
dem Willen Gottes gehorchen, wie Paulus sagt: „Bringt eure Leiber als ein Opfer
dar“ (Röm 12, 1) usw. Und das sind die geistlichen Übungen der Furcht und des
Glaubens. Neben dieser Tötung, die durch das Kreuz geschieht, muß es aber auch
noch eine zweite, gewissermaßen freiwillige Form der Übung geben, von der Chri-
stus sagt: „Hütet euch aber, daß eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und
Saufen“ (Lk 21, 34). Und Paulus [schreibt]: „Ich zähme meinen Leib und bringe ihn
zur Dienstbarkeit“ (1. Kor 9, 27) usw. Und diese Übungen muß man auf sich neh-
men, nicht weil es sich um rechtfertigende Kulte handelt, sondern damit sie das
Fleisch zähmen, damit nicht Sattheit uns erdrückt und uns sicher und träge macht,
wodurch es geschieht, daß die Menschen den Regungen des Fleisches nachgeben und
gehorchen. Diese Sorgfalt muß von Dauer sein, weil ihr ein beständiges Gebot Gottes
gilt. Jene vorgeschriebene Form bestimmter Speisen und Zeiten trägt nichts zur Zäh-
mung des Fleisches bei. Denn sie ist genußreicher und aufwendiger als sonstige
Mahlzeiten; und nicht einmal die Gegner beachten die in den kirchlichen Bestim-
mungen überlieferte Form.
[Behutsamkeit bei der Änderung menschlicher Satzungen]
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Viele und schwierige Streitfragen enthält dieses Lehrstück von den Überlieferungen.
Und wir haben wirklich erfahren: Die Satzungen sind in Wahrheit Fesseln der Ge-
wissen. Wenn man sie als notwendig einklagt, quälen sie die Gewissen derer, die
irgendeine Vorschrift übergehen, ganz außerordentlich. Andererseits bringt aber auch
ihre Abschaffung Probleme und Fragen. Aber unsere Sache liegt einfach und klar:
Die Gegner verdammen uns, weil wir lehren, daß menschliche Satzungen nicht die
Sündenvergebung verdienen. Ebenso fordern sie „Universalsatzungen“, wie sie es
nennen, so als wären diese zur Rechtfertigung nötig. Hier haben wir Paulus zum
ständigen Anwalt, [307] der stets darauf besteht, daß diese Auflagen weder rechtfer-
tigen noch über die Glaubensgerechtigkeit hinaus erforderlich sind. Dennoch lehren
wir, der Gebrauch der Freiheit in diesen Dingen müsse so maßvoll geschehen, daß
Unerfahrene nicht verletzt werden und sie die wahre Lehre des Evangeliums nicht
wegen eines Mißbrauchs der Freiheit noch mehr ablehnen. Wir lehren, an den ge-
wohnten Riten solle ohne triftigen Grund nichts verändert werden, vielmehr solle man
zur Stärkung der Eintracht die alten Gebräuche beibehalten, die ohne Sünde oder
große [CR 581] Unzuträglichkeit bewahrt werden können. Und auf diesem Reichstag
selbst haben wir zur Genüge bewiesen, daß wir um der Liebe willen die Mitteldinge,
selbst wenn sie Beschwerliches an sich haben, ohne große Umstände gemeinsam mit
den anderen einhalten wollen. Denn wir urteilen, daß die öffentliche Eintracht, die
ohne Verletzung der Gewissen zu wahren ist, allen anderen Annehmlichkeiten vorge-
zogen werden muß. Über diese ganze Sache aber werden wir auch später noch reden,
wenn wir von den Gelübden und der kirchlichen Amtsgewalt sprechen werden.
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