Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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oben zitiert.
Und die Schriften des Paulus sind voll davon. Kol 2 (v. 16 f.) sagt er
deutlich: „Niemand richte euch wegen Speise und Trank oder wegen eines Feierta-
ges, Neumondes oder Sabbats. Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; leib-
haftig aber ist es in Christus.“ Und er bezieht hier zugleich das mosaische Gesetz und
die menschlichen Satzungen ein, damit die Gegner mit diesen Zeugnissen nicht ihr Spiel
treiben, wie sie es zu tun pflegen: daß Paulus [hier] nur vom Gesetz des Mose spreche.
Er bezeugt hier aber deutlich, daß er von den menschlichen Satzungen spricht. Dennoch
bemerken die Gegner selbst nicht, was sie reden: Wenn das Evangelium bestreitet, daß
die mosaischen Zeremonien (die doch von Gott eingesetzt waren) rechtfertigen – um
wieviel weniger rechtfertigen dann die menschlichen Überlieferungen!
Auch haben die Bischöfe nicht die Macht, Kulte einzuführen, so als rechtfertigten sie
oder wären zur Rechtfertigung notwendig. Vielmehr sagen die Apostel Apg 15 (v. 10):
„Was versucht ihr Gott, indem ihr ein Joch auferlegt“ usw.; hier klagt Petrus diese
Absicht, der Kirche eine Last aufzuerlegen, als eine schwere Sünde an. Und Gal 5 (v. 1)
verbietet Paulus, sich aufs neue der Knechtschaft zu unterwerfen. Die Apostel wollen
also, daß in der Kirche diese Freiheit bleibt, daß nicht irgendwelche Kulte des Geset-
zes oder der Überlieferungen für notwendig erachtet werden (wie unter dem Gesetz
Zeremonien eine Zeitlang notwendig gewesen waren), damit nicht die Glaubensge-
rechtigkeit verfinstert wird, wenn die Menschen meinen, jene Kulte verdienten die
Rechtfertigung oder seien zur Rechtfertigung notwendig. Viele suchen Milderungen
in den Überlieferungen, um den Gewissen zu helfen, ohne doch sichere Abstufungen
zu finden, durch die sie die Gewissen aus diesen Fesseln befreien könnten. Aber wie
Alexander den Gordischen Knoten, [304] als er ihn nicht entwirren konnte, mit einem
Schwertstreich durchtrennt hat, so befreien die Apostel die Gewissen [hier] mit ei-
nem Schlage von den Satzungen, besonders wenn diese so dargestellt werden, als
verdienten sie die Rechtfertigung. Die Apostel nötigen uns, dieser Doktrin durch
Lehre und Beispiel zu widerstehen. Sie zwingen uns zu lehren, daß die Überlieferun-
gen nicht rechtfertigen, daß sie nicht zur Rechtfertigung notwendig sind, [CR 579]
daß niemand Satzungen einführen oder übernehmen darf in der Meinung, sie verdien-
ten die Rechtfertigung. Wenn sie dann aber jemand dennoch halten will, so beachte er
sie ohne Aberglauben wie weltliche Sitten, wie sich ja auch Kriegsleute ohne
abergläubische Besorgnis anders kleiden als Gelehrte. Die Apostel verletzen Überlie-
ferungen und werden von Christus entschuldigt. Es war nämlich den Pharisäern an
einem Beispiel zu zeigen, daß jene Kulte nutzlos waren. Und wenn die Unseren ge-
wisse unangemessene Überlieferungen aufgeben, so sind sie jetzt hinreichend ent-
schuldigt, da diese so eingefordert werden, als verdienten sie die Rechtfertigung.
Denn eine solche Meinung von den Satzungen ist gottlos.
136 S. o. Nr. 125.