Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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über das bürgerliche Leben einführt, sondern die Vergebung der Sünden und der
Anfang des ewigen Lebens in den Herzen [309] der Gläubigen ist; [CR 582] daß es
im übrigen nicht nur die äußeren politischen Ordnungen billigt, sondern daß wir uns
ihnen ebenso unterwerfen, wie wir zwangsläufig den Gesetzen der Zeiten, dem
Wechsel von Winter und Sommer als göttlichen Anordnungen unterworfen sind.
[Das Evangelium bestätigt politische und ökonomische Ordnungen in ihren Grenzen]
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Das Evangelium verbietet die private Rache; und Christus schärft dies deshalb so oft
ein, damit die Apostel nicht meinten, sie müßten denen die Herrschaft entreißen, die
sie gerade innehatten (wie die Juden dies vom Reich des Messias erträumten), son-
dern wüßten, daß sie von einem geistlichen Reich predigen, [und] nicht die bürgerli-
che Ordnung verändern sollten. Deshalb wird die Privatrache nicht durch einen Rat,
sondern durch ein Gebot untersagt, Mt 5 (v. 39) und Röm 12 (v. 19). Die öffentliche
Bestrafung, die kraft des Amtes der Obrigkeit geübt wird, wird nicht in Abrede ge-
stellt, sondern geboten und ist ein Werk Gottes, nach Paulus Röm 13 (v. 1–4). Die
Arten öffentlicher Vergeltung sind nun Gerichtsurteile, Strafen, Kriege und Kriegs-
dienst. Es ist bekannt, wie schlecht viele Verfasser über diese Dinge geurteilt haben,
weil sie sich in dem Irrtum befanden, das Evangelium sei eine bestimmte äußerliche,
neue und mönchische Staatsordnung, und nicht sahen, daß das Evangelium den Herzen
die ewige Gerechtigkeit bringt, nach außen aber die bürgerliche Lebensform gelten läßt.
Völlig abwegig ist es auch zu behaupten, die christliche Vollkommenheit bestehe
darin, kein Privateigentum zu besitzen. Denn die christliche Vollkommenheit besteht
nicht in der Verachtung bürgerlicher Ordnungen, sondern in Regungen des Herzens,
einer tiefen Gottesfurcht, einem großen Glauben, so wie auch Abraham, David und
Daniel mit großer Habe und Macht nicht weniger vollkommen waren als irgendwel-
che Einsiedler. Die Mönche aber haben die Augen der Menschen mit jener äußerli-
chen Heuchelei überschüttet, damit man nicht sehen könne, worin die wahre Voll-
kommenheit besteht. Mit was für Lobreden haben sie die Gütergemeinschaft als
„evangelisch“ vorgeführt! Doch haben diese Lobreden viel Gefährliches an sich, vor
allem wenn sie weit von der Schrift abweichen. Denn die Schrift fordert nicht, daß die
Dinge Gemeinbesitz sein sollen, vielmehr, wenn das Gesetz des Dekalogs sagt: „Du
sollst nicht stehlen“ (2. Mose 20, 15; 5. Mose 5, 19), dann unterscheidet es Be-
sitzrechte und will, daß jeder das Seine besitzt. Ganz von Sinnen war Wycli
, als er
bestritt, daß Priester Eigentum besitzen dürften. [310] Es gibt endlose Erörterungen
über Verträge, bei denen den frommen Gewissen nie Genüge geschehen kann, wenn
sie nicht den Grundsatz kennen, daß ein Christ bürgerliche Ordnungen und Gesetze in
Anspruch nehmen darf. Dieser Grundsatz schützt die Gewissen, weil er lehrt, daß
Verträge insoweit vor Gott erlaubt sind, wie die Obrigkeiten oder Gesetze sie billigen.
Dieses ganze Lehrstück von den politischen Dingen ist von den Unseren so klarge-
legt worden, daß die meisten rechtschaffenen Leute, die im Staat und in Unterneh-
142 John Wyclif († 1384), englischer Theologe, Verfechter einer radikalen Kirchenreform.