Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Art. XXI:] Von der Anrufung der Heiligen
[Die Alte Kirche kennt keine Anrufung der Heiligen]
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Artikel XXI verdammen sie rundweg, weil wir die Anrufung der Heiligen nicht for-
dern. Und an keiner anderen Stelle ist ihr Gerede weitschweifiger. Und doch richten
sie damit nichts anderes aus, als daß man die Heiligen ehren solle; ebenso, daß Hei-
lige, die am Leben sind, für andere beten: als ob deshalb die Anrufung toter Heiliger
notwendig wäre! [317] Sie zitieren Cyprian, weil er den noch lebenden Cornelius
gebeten hat, er möge bei seinem Heimgang für die Brüder beten
Durch dieses Bei-
spiel belegen sie die Anrufung der Toten. Sie führen auch Hieronymus’ Schrift gegen
Vigilantius an: „In diesem Streit“, sagen sie, „hat Hieronymus vor eintausendeinhun-
dert Jahren Vigilantius
besiegt.“ So triumphieren die Gegner, als sei der Sieg schon
errungen. Und dabei übersehen diese Esel, daß es in Hieronymus’ Schrift ge-gen
Vigilantius keine einzige Silbe über die Anrufung gibt. Er spricht von der Vereh-rung
der Heiligen, nicht von ihrer Anrufung. Auch die übrigen alten Schriftsteller vor
Gregor
haben die Anrufung nicht erwähnt. Diese Anrufung mit den Meinungen,
die die Gegner jetzt hinsichtlich der Zueignung der Verdienste vertreten, hat mit Si-
cherheit keine Belege bei den alten Schriftstellern.
[Verehrung der Heiligen im evangelischen Sinne]
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Unser Bekenntnis billigt die Verehrung der Heiligen. Denn hier ist eine dreifache Ver-
ehrung anzuerkennen. Die erste ist die Danksagung. Wir müssen nämlich Gott dafür
danken, [CR 588] daß er uns Beispiele seiner Barmherzigkeit sehen läßt [und] gezeigt
hat, daß er die Menschen erlösen will, daß er der Kirche Lehrer und andere Gaben ge-
schenkt hat. Und weil diese Gaben so groß sind, sollen sie gepriesen werden; und die
Heiligen selbst sind zu loben, die diese Gaben treu gebraucht haben, so wie Christus die
treuen Haushalter lobt. Die zweite Form der Verehrung ist die Stärkung unseres Glau-
bens: Wenn wir sehen, daß dem Petrus seine Verleugnung verziehen wird, werden auch
wir aufgerichtet, so daß wir zuversichtlicher glauben, daß wirklich die Gnade mächtiger
ist als die Sünde. Die dritte Form der Verehrung ist die Nachahmung, [318] zuerst des
Glaubens, dann der übrigen Tugenden, die jeder seiner Berufung gemäß nachahmen
soll. Diese wahren Verehrungen fordern die Gegner nicht. Sie streiten nur über die
Anrufung, die doch, auch wenn sie nichts Gefährliches hätte, nicht notwendig ist.
[Fürbitte von Engeln und Heiligen]
Darüber hinaus räumen wir auch dies ein, daß die Engel für uns beten. Es gibt näm-
lich einen Beleg Sach 1 (v. 12), wo der Engel bittet: „Herr Zebaoth, wie lange noch
willst du dich nicht erbarmen über Jerusalem?“ Auch wenn wir bezüglich der Heili-
150 Cyprian, Brief 60, Kap. 5, an den römischen Bischof Cornelius.
151 Hieronymus, Contra Vigilantium. Der aquitanische Presbyter Vigilantius wandte sich Anfang des 5. Jahrhunderts
entschieden gegen den Kult der Märtyrer und ihrer Reliquien.
152 Papst Gregor I. der Große (590–604).