Die Bekenntnisschriften - page 208

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
248
Deshalb werden wir zeigen, daß sie aus den Heiligen tatsächlich nicht nur Fürbitter,
sondern Versöhner machen, d. h.: „Mittler der Erlösung“. Wir reden hier noch gar
nicht von den Mißbräuchen im Volk. Wir sprechen bislang nur von den Meinungen
der Gelehrten. Das übrige können auch unerfahrene Leute beurteilen.
[320] Bei einem Versöhner kommen zwei Dinge zusammen: Zuerst muß es ein
Wort Gottes geben, aus dem wir mit Gewißheit entnehmen können, daß Gott sich
erbarmen und die ihn Anrufenden durch diesen Versöhner erhören will. Eine solche
Verheißung gibt es über Christus: „Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Na-
men, wird er euch geben“ (Joh 16, 23). Über die Heiligen gibt es keine solche Ver-
heißung. Daher können die Gewissen nicht sicher urteilen, daß wir durch die Anru-
fung der Heiligen erhört werden. Daher geschieht jene Anrufung nicht aus dem
Glauben. Sodann haben wir auch ein Gebot, daß wir Christus anrufen sollen nach
jenem Wort: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig seid“ (Mt 11, 28) usw., was
gewiß auch zu uns gesagt ist. Und Jesaja sagt im 11. [Kapitel]: „An jenem Tage wird
die Wurzel Jesse einen Sproß treiben zum Zeichen für die Völker, und die Heiden
werden ihn anbeten“ (Jes 11, 10). Und Ps 43: „Vor deinem Angesicht werden alle
Reichen des Volkes beten“ (Ps 45, 13). Und Ps 71: „Und alle Könige der Erde wer-
den ihn anbeten“ (Ps 72, 11). Und kurz darauf: „Sie werden beständig vor ihm be-
ten“ (Ps 72, 15). Und Joh 5 (v. 23) spricht Christus: „Damit sie alle den Sohn ehren,
[CR 590] wie sie den Vater ehren.“ Und Paulus sagt 2. Thess 2 (v. 16 f.) betend: „Er
aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, ermutige eure Herzen und
stärke euch“ usw. Hinsichtlich der Anrufung der Heiligen aber: Welches Gebot, wel-
ches Beispiel können die Gegner da aus den Schriften beibringen?
Das zweite an einem Versöhner ist, daß seine Verdienste dargebracht sind als sol-
che, die für andere Genugtuung leisten sollen, die anderen durch göttliche Zurech-
nung geschenkt werden sollen, damit sie
um ihretwillen
wie durch eigene Verdienste
für gerecht erklärt würden. Wie wenn ein Freund für den Freund Schulden begleicht,
der Schuldner durch eine fremde Leistung, so als wäre sie eine eigene, ausgelöst wird.
So werden uns die Verdienste Christi geschenkt, damit wir für gerecht erklärt werden
durch das Vertrauen auf die Verdienste Christi, wenn wir an ihn glauben, so als hätten
wir eigene Verdienste.
Und aus beidem, nämlich aus der Verheißung und der Zueignung der Verdienste,
erwächst das Vertrauen auf die Barmherzigkeit. Solches Vertrauen auf die göttliche
Verheißung [und] ebenso auf die Verdienste Christi muß zum Gebet mitgebracht
werden. Denn wir sollen wirklich glauben, sowohl daß wir um Christi willen erhört
werden, als auch daß wir durch seine Verdienste einen versöhnten Vater haben.
[321] Hier lassen die Gegner erstens die Heiligen anrufen, obwohl sie dafür weder
eine Verheißung Gottes noch ein Gebot oder ein Beispiel aus der Schrift haben. Und
doch bewirken sie hierdurch, daß man größeres Vertrauen auf das Erbarmen der Hei-
ligen setzt als auf die Barmherzigkeit Christi, obwohl Christus geboten hat, zu ihm zu
kommen, nicht zu den Heiligen. Zweitens wenden sie die Verdienste der Heiligen
anderen Menschen zu wie die Verdienste Christi; sie veranlassen, auf die Verdienste
der Heiligen zu vertrauen, so als würden wir wegen der Verdienste der Heiligen für
1...,198,199,200,201,202,203,204,205,206,207 209,210,211,212,213,214,215,216,217,218,...549
Powered by FlippingBook