Die Bekenntnisschriften - page 209

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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gerecht erklärt, wie wir wegen der Verdienste Christi für gerecht erklärt werden. Wir
erfinden hier nichts. In den Ablässen, behaupten sie, wenden sie die Verdienste der
Heiligen zu. Und Gabriel [Biel] verkündet als Interpret des Meßkanons freimütig:
„Wir sollen nach der von Gott gegebenen Ordnung zur Hilfe der Heiligen Zuflucht
nehmen, um durch ihre Verdienste und Gebete selig zu werden.
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Dies sind die
Worte Gabriels. Und doch kann man in den Büchern und Predigten der Gegner viel-
fach [noch] unsinnigere Dinge lesen. Was sonst, wenn nicht dies, heißt: „Versöhner
zu machen“? Sie werden Christus gänzlich gleich gemacht, wenn wir darauf vertrau-
en sollen, durch ihre Verdienste selig zu werden.
Wo aber wurde jene Ordnung von Gott gegeben, von der er sagt, wir sollen zur Hil-
fe der Heiligen Zuflucht nehmen? Soll er uns doch ein Beispiel oder ein Gebot aus
der Schrift bringen! Vielleicht nehmen sie diese Ordnung von den Fürstenhöfen, wo
man Freunde als Fürsprecher braucht. Aber wenn der König einen bestimmten Für-
sprecher eingesetzt hat, dann wird er nicht wollen, daß ihm die Fälle durch andere
vorgetragen werden. Wenn also Christus zum Fürsprecher und Priester bestimmt
worden ist, warum suchen wir andere?
[Verehrung Marias]
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Weit und breit benutzt man diese Absolutionsformel: „Das Leiden unseres Herrn Je-
sus Christus, die Verdienste der allerseligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen mö-
gen dir zur Vergebung der Sünden gereichen.“ [CR 591] Hier wird eine Absolution
verkündet, nach der wir nicht allein durch die Verdienste Christi, [322] sondern durch
die Verdienste anderer Heiliger versöhnt und für gerecht erklärt werden. Einige von
uns haben einen sterbenden Doktor der Theologie gesehen, zu dessen Tröstung ein
theologisch versierter Mönch herbeigeholt wurde. Der schärfte dem Sterbenden nur
dieses Gebet ein: „Mutter der Gnade, behüte uns vor dem Feind, nimm uns in der
Todesstunde auf.“
Wenn wir auch einräumen, daß die selige Maria für die Kirche betet – nimmt sie
etwa selbst die Seelen im Tode in Empfang? Besiegt sie den Tod? Macht sie leben-
dig? Was tut Christus, wenn dies [alles] die selige Maria tut? Sie, die doch, obwohl
sie die der höchsten Ehren Würdigste ist, nicht Christus gleichgestellt werden will,
sondern lieber will, daß wir ihr Vorbild anschauen und in uns aufnehmen. Tatsäch-
lich aber ist es so, daß nach gewöhnlicher Überzeugung die selige Jungfrau ganz an
die Stelle Christi getreten ist. Sie war es, die die Menschen anriefen; ihrer Barmher-
zigkeit vertrauten sie; durch sie wollten sie Christus gnädig stimmen, als wäre er nicht
der Versöhner, sondern nur ein zu fürchtender Richter und Rächer. Wir aber glauben,
daß wir nur durch das Vertrauen auf die Verdienste Christi gerechtfertigt werden,
nicht durch das Vertrauen auf die Verdienste der seligen Jungfrau oder anderer
Heiliger.
Von den anderen Heiligen heißt es: „Jeder wird seinen Lohn empfangen
nach seiner Arbeit“ (1. Kor 3, 8). Das heißt: Sie können sich selbst untereinander –
153 Biel († 1495), Auslegung des heiligen Kanons der Messe, Lektion 30.
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