Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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wir einmal an, es wäre ganz freigestellt, einen oder beide Teile zu empfangen – wie
könnte da ein Verbot verteidigt werden? Indessen – die Kirche nimmt sich nicht die
Freiheit, aus den Anordnungen Christi beliebige Dinge zu machen. Wir entschuldi-
gen zwar die Kirche, die dieses Unrecht erlitten hat, daß ihr nicht beide Teile
zukommen konnten, aber die Urheber, die daran festhalten, daß der Empfang des
ganzen Sakramentes zu Recht verboten wird, und die ihn nicht nur verbieten, sondern
auch die, die das ganze Sakrament empfangen, exkommunizieren und mit Gewalt
verfolgen, die entschuldigen wir nicht. Mögen sie selbst sehen, wie sie Gott Rechen-
schaft über ihre Absichten geben werden. Man darf auch nicht meinen, daß die Kirche
sogleich alles beschließt und anerkennt, was die Päpste festsetzen, zumal die Schrift
im Blick auf Bischöfe und Pastoren in dem Sinne warnt, wie Hesekiel sagt: „Das
Gesetz wird dem Priester verloren gehen“ (Hes 7, 26).
[Art. XXIII:] Von der Priesterehe
[Das Ansinnen an den Kaiser, gegen verheiratete Priester vorzugehen, dient den
Gegnern zum Machterhalt unter dem Schein von Frömmigkeit]
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Obwohl der Zölibat mit so großer Schande beschmutzt ist, wagen es die Gegner nicht
nur, den Zölibat als ein päpstliches Gesetz unter dem gottlosen und falschen Vor-
wand des göttlichen Namens zu verteidigen, sondern auch, den Kaiser und die Für-
sten zu ermahnen, nicht „zur Schande und zur Schmach des Römischen Reiches“ die
Priesterehen zu dulden. So nämlich drücken sie sich aus.
[333] Hat man je in der Geschichte von einer größeren Unverschämtheit gelesen, als
es die der Gegner ist? Denn wir werden die Argumente, die sie verwenden, später
überprüfen. Jetzt möge der verständige Leser bedenken, mit welcher Stirn diese Nul-
len behaupten, die [Priester-]Ehen brächten dem Reich Schande und Schmach, so als
würde die Kirche durch jene öffentliche Schmach schändlicher und ungeheuerlicher
Begierden, die bei diesen heiligen Vätern lodern, welche [eine Tugend wie] „Curius
vortäuschen und Bacchanalien leben“,
herrlich geschmückt. Aber das meiste, was
sie mit höchster Genehmigung treiben, verbietet die Scham zu nennen. Und diese ihre
Begierden, so fordern sie, soll deine keusche Rechte, Kaiser Karl (den schon alte
Weissagungen „den König mit dem züchtigen Antlitz“ nennen, denn durch dich wird
der Spruch wahr: „Züchtig von Angesicht wird er überall herrschen
), beschützen.
Sie fordern, daß du gegen das göttliche Recht, gegen das Recht der Völker, gegen die
Beschlüsse der Konzilien die Ehen auseinanderreißt; daß du nur wegen der Ehe grau-
same Strafen gegen unschuldige Menschen verhängst; daß du Priester [CR 598] nie-
dermetzelst, die selbst die Barbaren in frommer Scheu verschonen, daß du landflüch-
tige Frauen und Waisenkinder in die Verbannung schickst. Solche Gesetze legen sie
dir vor, hochedler und züchtigster Kaiser, welche keine noch so schreckliche und
169 Nach Juvenal, Satiren, galt Curius Dentatus als Inbegriff der Sittenstrenge und Genügsamkeit.
170 Sibyllinische Orakel, Buch 8, 169 f.