Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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wilde Horde [auch nur] anhören könnte. Doch weil zu dieser deiner Sittenstrenge
weder Schändlichkeit noch blinde Wut passen, hoffen wir, daß du auch in dieser
Sache milde mit uns verfahren wirst, zumal du erkannt haben dürftest, daß wir höchst
gewichtige Gründe für unsere Meinung haben, die aus dem Worte Gottes stammen.
Dem setzen die Gegner nur ganz alberne und eitle Auffassungen entgegen.
[334] Und dennoch verteidigen sie den Zölibat nicht mit Ernst. Denn sie wissen
genau, wie wenige Keuschheit aufbringen. Sondern sie bemänteln ihre Herrschaft, für
die sie den Zölibat für nützlich halten, mit dem Schein von Frömmigkeit, so daß wir
begreifen, daß Petrus zu Recht gewarnt hat, es werde geschehen, daß Lügenpro-
pheten die Menschen mit erdichteten Worten täuschen (2. Petr 2, 1). Denn nichts in
dieser ganzen Sache sagen, schreiben oder betreiben die Gegner wahrhaftig, schlicht
und lauter. Sondern tatsächlich kämpfen sie um die Herrschaft, die sie zu Unrecht für
gefährdet halten und die sie unter dem gottlosen Vorwand der Frömmigkeit zu festi-
gen versuchen.
[Gründe für die Ablehnung des Zölibatsgesetzes]
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Wir können das Gesetz über den Zölibat, das die Gegner verteidigen, deshalb nicht
gutheißen, weil es dem göttlichen und dem natürlichen Recht widerstreitet und sogar
von den Bestimmungen der Konzilien abweicht
Und es steht fest, daß es aber-
gläubisch und gefährlich ist. Denn es hat zahllose Ärgernisse, Sünden und den Ver-
fall der öffentlichen Sitten zur Folge. Unsere übrigen Streitfragen erfordern ein ge-
wisses Gespräch unter Gelehrten; in dieser ist die Sache beiderseits so klar, daß es
keiner Erörterung bedarf. Sie verlangt nur einen redlichen und gottesfürchtigen Mann
als Richter. Und obwohl von uns die offenkundige Wahrheit verteidigt wird, haben
die Gegner falsche Anklagen zusammengezimmert, um unsere Argumente zu schmä-
hen.
[(1) Zuordnung von Mann und Frau durch Schöpfung und Gottes Gebot]
Erstens. Das 1. Buch Mose lehrt, daß die Menschen erschaffen wurden, damit sie
fruchtbar sind und das eine Geschlecht in rechter Ordnung nach dem anderen ver-
langt (1. Mose 1, 28). Wir sprechen nämlich nicht von der Begierde, [335] die Sünde
ist, sondern von jenem Verlangen, das in der unversehrten Natur hätte entstehen sol-
len und das sie die „natürliche Neigung“ nennen. Und diese „Neigung“ ist wirklich
die göttliche Zuordnung des einen Geschlechtes zum anderen. Da aber diese Zuord-
nung Gottes ohne ein besonderes Wirken Gottes nicht aufgehoben werden kann, so
folgt, daß das Recht, eine Ehe einzugehen, nicht durch Satzungen oder Gelübde auf-
gehoben werden kann.
Darüber reden die Gegner spitzfindig. Sie sagen, zu Anfang sei es ein Gebot gewe-
sen, damit die Erde sich fülle; jetzt aber, nachdem die Erde voll ist, sei die Ehe nicht
mehr geboten. Seht, wie klug sie urteilen! Die Natur des Menschen wird durch jenes
171 Das Konzil von Nizäa 325 lehnte den Zwangszölibat ab.