Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Die wahren Motive des Kelchentzugs: Unterwerfung der Laien unter die Herrschaft
des Priesterstandes]
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Aber seht nur die Unverschämtheit! Gabriel [Biel]
führt neben anderen Gründen
dafür, weshalb nicht beide Teile gegeben werden sollen, auch diesen an, daß ein Un-
terschied zwischen Laien und Priestern habe gemacht werden müssen. Und es ist
leicht zu glauben, daß dies der Hauptgrund ist, warum das Verbot eines Teils vertei-
digt werden soll: Damit die Würde des Priesteramtes aufgrund seiner Kultpflicht
höher zu schätzen sei. Das ist ein menschlicher Gedanke, um es nicht noch deutlicher
zu sagen. Wohin das führt, ist leicht zu erkennen. In der Konfutation führen sie auch
von den Söhnen Elis an, [331] daß sie nach dem Verlust des höchsten Priesteramtes
[nur] einen priesterlichen Anteil fordern wollten (1. Sam 2, 36). Hier, so sagen sie, sei
der Gebrauch einer Gestalt angezeigt worden. Und sie fügen hinzu: „Ebenso müssen
also auch unsere Laien mit einem priesterlichen Teil, mit einer Gestalt zufrieden
sein.“ Deutlich treiben die Gegner ihr Spiel, wenn sie die Geschichte von den Nach-
kommen Elis auf das Sakrament übertragen. Dort wird die Strafe Elis beschrieben.
Werden sie etwa auch behaupten, den Laien werde einer Strafe wegen der andere Teil
verwehrt? Das Sakrament wurde eingesetzt, um erschreckte Herzen zu trösten und
aufzurichten, wenn sie glauben, daß das für das Leben der Welt gegebene Fleisch
Christi die Speise ist, wenn sie glauben, daß sie als mit Christus Verbundene leben-
dig gemacht werden. Aber die Gegner behaupten, den Laien werde einer Strafe we-
gen die zweite Gestalt vorenthalten. Sie müssen, sagen sie, [damit] zufrieden sein.
Das reicht als Befehl. Aber warum müssen sie das? Man darf nicht nach dem Grund
fragen, sondern was immer die Theologen sagen, soll Gesetz sein. Das ist der Eck-
sche Bodensatz
Wir kennen nämlich diese Thrasonischen Reden.
Wenn wir sie
aufgreifen wollten, würde es uns nicht an Worten fehlen. Denn ihr seht, was für eine
Schamlosigkeit das ist. Er befiehlt wie irgendein Tyrann in den Tragödien: „Ob sie
nun wollen oder nicht; sie müssen zufrieden sein!“ Werden denn etwa die Gründe, die
er nennt, vor Gottes Gericht diejenigen entschuldigen, die eine Gestalt des Sa-
kramentes verbieten? Die gegen gute Menschen wüten, die das ganze Sakrament
empfangen? Wenn sie es deshalb verbieten, damit es einen Unterschied des Standes
gebe, so muß dieser Grund selbst uns dazu veranlassen, den Gegnern nicht beizu-
pflichten, auch wenn wir sonst den Brauch mit ihnen hätten wahren wollen. Es gibt
andere Unterschiede zwischen dem Priesterstand und dem Kirchenvolk; aber es ist
klar, was sie im Sinne haben – warum sie diesen [CR 597] Unterschied so hartnäckig
verteidigen. Um aber nicht den Anschein zu erwecken, als wollten wir die wahre Wür-
de des Priesterstandes herabsetzen, werden wir nicht weiter über diesen schlauen Plan
reden.
[332] Sie führen auch die Gefahr des Verschüttens und ähnliches mehr an, das nicht
solches Gewicht hat, [um deshalb] die Verfügung Christi zu verändern. Und nehmen
166 Biel, Auslegung des heiligen Kanons der Messe, Lektion 84.
167 Johann Eck († 1543), Theologieprofessor in Ingolstadt, Hauptgegner Luthers, federführend bei der Abfassung
der Konfutation.
168 Thraso, großmäuliger Soldat in den „Eunuchen“ des Terenz.