Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses
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[Zwei Arten des Opfers: Sühnopfer und Dankopfer]
Es gibt aber zwei Arten des Opfers; weitere gibt es nicht. Die eine ist das Sühnopfer,
das ist ein Werk, das für Schuld und Strafe Genüge tut, d. h. ein Werk, das Gott ver-
söhnt oder den Zorn Gottes stillt oder das anderen Vergebung der Sünden verdient.
Die zweite Art ist das Dankopfer, das nicht Sündenvergebung oder Versöhnung ver-
dient, sondern von den Versöhnten vollzogen wird, damit wir für die empfangene
Sündenvergebung und andere empfangene Wohltaten danksagen oder Dank abstatten.
Sich diese zwei Arten des Opfers im Blickfeld und vor Augen zu halten ist sowohl
in dieser Streitfrage als auch bei vielen anderen Erläuterungen dringend nötig, und
man muß sich mit besonderer Sorgfalt davor hüten, sie nicht zu vermischen. Würde
die Eigenart dieses Buches es gestatten, so würden wir die Gründe für diese Untertei-
lung anführen. Denn sie hat hinreichend viele Belege im Hebräerbrief und anderswo.
[355] Und alle levitischen Opfer können auf diese [beiden] Gattungen wie auf ihre
Wohnsitze bezogen werden. Denn einige wurden im Gesetz ihres Zeichen- und
Gleichnischarakters wegen „Sühnopfer“ genannt, nicht weil sie vor Gott Sündenver-
gebung verdienten, sondern weil sie nach der Gesetzesgerechtigkeit Sündenverge-
bung verdienten, damit die, für die sie geschahen, nicht aus jener Gemeinschaft aus-
geschlossen würden. Daher wurden sie „Sühnopfer“ für die Sünde genannt, für das
Vergehen [gab es] „Brandopfer“. Dankopfer aber waren folgende: die Darbringung, das
Trankopfer, die Wiedergutmachungen, die Erstlingsopfer, die Zehnten (3. Mose 1–7).
[Zum Begriff Sühnopfer: Er verweist auf das Opfer Jesu Christi]
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Aber in Wirklichkeit hat es nur ein einziges Sühnopfer in der Welt gegeben, nämlich
den Tod Christi, wie der Hebräerbrief lehrt, indem er sagt: „Es ist unmöglich, durch
das Blut von Stieren und Böcken Sünden wegzunehmen“ (Hebr 10, 4). Und kurz
darauf [heißt es] vom Willen Christi: „In diesem Willen sind wir geheiligt ein für
allemal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi“ (Hebr 10, 10). Und Jesaja legt das
Gesetz aus, damit wir wissen, daß der Tod Christi wirklich die Genugtuung oder
Sühne für unsere Sünden ist [und] nicht die Zeremonien des Gesetzes, weshalb er
sagt: [CR 612] „Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er eine
langlebige Nachkommenschaft sehen“ usw. (Jes 53, 10). Denn das [hebräische] Wort
„ascham“, das er hier gebraucht hat, bezeichnet das Opfer für ein Vergehen. Dieses
betreffend, hat er im Gesetz angezeigt, daß ein bestimmtes Opfer kommen werde, das
für unsere Sünden Genüge leisten und Gott versöhnen werde. So sollten die Men-
schen wissen, daß Gott nicht um unserer Gerechtigkeiten, sondern um fremder Ver-
dienste (nämlich Christi) willen mit uns versöhnt werden will. Paulus übersetzt das
gleiche Wort „ascham“ mit „Sünde“, Röm 8 (v. 3): „Durch die Sünde hat er die Sünde
verdammt“, das heißt: Die Sünde ist durch die Sünde bestraft worden, d. h. durch das
Opfer für die Sünde. Die Bedeutung des Wortes kann leicht an den Gebräuchen der
Heiden abgelesen werden, die, wie wir sehen, aus den mißverstandenen Darlegungen
ihrer Vorfahren übernommen worden sind. Die Lateiner bezeichneten ein Opfer als
„Sühnopfer“, das bei schlimmen Unglücksfällen (wenn Gott sichtlich zu zürnen